Freitag, 24. Februar 2017

KYGO (& Selena Gomez): It Ain't Me



KYGO ist zurück. Nach einer winzigen Verschnaufpause prescht er zurück in die Charts und auf die europäischen Dancefloors. Und ihm gebührt ein derartiger Superstar-Status, dass auf dem Coverbild zu seiner neuen Single lediglich sein Name stehen muss. Das reicht, um für Qualität zu bürgen. Sängerin Selena Gomez (die immerhin noch im Zwielicht ihr Profil zeigen darf) ist völlig unwichtig. Obwohl sie in den USA zu den Superstars gehört.
Immerhin: In der Listung des Titels bei allen möglichen Streaming-Plattformen steht ihr Name gleichberechtigt neben dem von KYGO.

Dieser im Grunde nebensächliche Fakt erzählt eine Menge über die Musikwahrnehmung derzeit in Europa. Die DJs sind die Superstars und Macher. Diejenigen, welche da ihre Stimme leihen, sind zweitrangig. Statisten. Wahrscheinlich sogar austauschbar.

Im Falle von Selena Gomez stimmt das leider sogar. Das, was ich von ihr auf It Ain't Me zu hören bekomme, ist reichlich unprägnant. Das hätte jetzt auch Jasmine Thompson singen können. Mindestens genauso gut/überzeugend/lauschig. Dabei hat die Sängerin doch schon gezeigt, dass sie mehr kann als nur Beiwerk sein. Nicht besonders oft, aber mindestens bei Good For You und ganz zu Beginn ihrer Karriere mit A Year Without Rain (zugegeben fand ich sie da vor allem in der spanischen Version überzeugend). Und der Beginn zu It Ain't Me verspricht sogar einiges. Doch dann wird ihre Stimme mit dem Refrain wegproduziert: erst mit einem eher schlimmen Stadionchorbackground und dann durch Zerstückelung im Sampling-Verfahren. Die TropicHouse-Panflöten und Pianoklänge lassen nicht sehr viel übrig von dem, was sie ursprünglich vielleicht aufgenommen hat.

Da hat sie sich also keinen Gefallen getan mit dieser Zusammenarbeit. Aber vielleicht ist das Ganze auch nur berechnend. Bislang blieb Selena Gomez in Kontinentaleuropa der richtig große Erfolg ja verwehrt. Ihre Alben verkauften sich zum Teil eine Woche lang ganz gut – und stürzten dann ab in der Gunst der Musikkaufenden. Wirkliche Hits waren ihre Veröffentlichungen auch nicht – eher so im Mediumbereich. Das ist für Indie-Künstlerinnen toll. Und für Sängerinnen, die Wert darauf legen, ihre Definition von Musik zu veröffentlichen ohne allzu viele Kompromisse, auch. Für kommerziell hochgezüchtete Kinderstars ist das eher zu wenig. – Oder besser: Für das Management solcher Stars reicht das nicht.

Ich vermute hier, dass die Drahtzieher im Hintergrund unbedingt einen echten Hit brauchten. Und da es gerade sehr schick ist europäische DJs mit nordamerikanischen Sängern ins Studio zu schicken, war das hier das Rezept der Stunde. Welches offenbar auch funktioniert.

Für KYGO markiert die Zusammenarbeit leider auch keine Sternstunde. Das hängt vor allem damit zusammen, dass er das tut, was er sonst auch macht: Seinen TropicHouse-Sound hinlegen. Ist OK. Damit ist er schließlich berühmt geworden. Soll er es also ausschlachten. Ich für meinen Teil, kann es zwar schon nicht mehr hören, aber die Masse steht nach wie vor drauf.

Schade ist trotzdem, dass sich KYGO kaum Mühe gibt, auf Selena Gomez einzugehen. Was hat sie zu bieten? Wo kommt sie her? Was ist die Besonderheit an ihr? – Nichts von dem spielt eine Rolle. Wie gesagt: Wäre Jasmine Thompson die Stimme der Wahl gewesen, der Track hätte genauso geklungen.

Das ist mir insgesamt zu wenig. Für den tagelangen, ununterbrochenen Soundteppich der Servicewellen und Loungebeschallungen ist der Track dagegen perfekt. Vielleicht sogar schon fast so etwas wie ein Highlight. Aber ganz aufrichtig: ich kann mit dieser Version des immer zugenebelten Lebens nicht so wahnsinnig viel anfangen. Da müssen also andere ran, um die Besonderheit dieses Daseinszustands zu beschreiben.

Freitag, 17. Februar 2017

ST∆RLEY: C∆ll On Me



Deephouse rules the world. – Weiterhin. Sogar aus Brasilien kommen jetzt Produktionen im Tuckerbeat-Gewand und platzieren sich in den hiesigen Autoradiodauerschleifen. Und so ist es überhaupt nicht verwunderlich, wenn eine australische Liedermacherin einen Hit in Europa landet, der vor allem durch den Mix eines australischen DJs besonders populär wurde. So geschehen mit C∆ll On Me aufgenommen von ST∆RLEY und mit einem fluffigen Remix versehen von Ryan Riback.

Ebenfalls nicht ganz verwunderlich: Der Remix ist um einiges überzeugender als das Original. Obwohl das im Falle von Starley gar nicht so sehr auf der Hand lag. Von der sehr weit verbreiteten, nostalgisch-romantischen Weinerlichkeit der Liedermacherzunft ist sie dann doch ein ganzes Stück entfernt. Und traut sich sogar den Flirt von Pop-Elementen. Das kann man im Original von Call On Me ganz schön erleben – die Hookline zwischen den Strophen könnte ganz gut auch aus einer Produktion von DJ Snake stammen.



Trotzdem bleibe ich nach dem Hören des Songs irgendwie reichlich unberührt. Vielleicht ist das Ganze doch zu allerweltsmäßig produziert. Eingängig und lauschig – und sofort wieder vergessen.
Vielleicht ist es auch die Akustik-Gitarre, die immer wieder auftaucht und mich völlig abtötet.
Vielleicht ist es auch das Video mit buntem Rauch.

Ein bisschen passt das ja auch zum Inhalt. Der will mir sagen: Die Welt ist doch ganz einfach: Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann wende dich an mich. – Lagerfeuerromantik, die ich gern glaube. Sie wiegt mich in Sicherheit, lullt mich ein: Wenn auch Gebete nicht mehr helfen, dann komm zu mir.

Was mich stört, sind diese leicht religiösen Anflüge, diese irgendwie auch im Text platzierte Passivität. Nicht: Hey, steh auf, wir suchen einen Weg! Sondern: Ruf mich, ich steh dir bei.

Eigentlich könnte der Text ja auch so gemeint sein: Gemeinsam, da finden wir einen Weg. Vertraue auf das Uns. Du musst nicht versuchen, alles allein hinzukriegen. Als Team sind wir besser ... und wenn es nur darum geht, die Verzweiflung, Trauer, Ohnmacht zu teilen und jemanden zu haben, der/die mir zuhört.

Die Herausforderung bleibt, sich nicht zu sehr darauf zu verlassen, dass immer andere für einen da sind. Ein bisschen Eigeninitiative und Aktivität muss man schon mitbringen. Denn wenn niemand mehr so richtig auf seinen eigenen Beinen stehen kann, dann hilft auch die Verklumpung im Team nicht viel.

Und wie um diese Gewissheit zu untermauern kommt der DJ Ryan Riback daher und macht aus dem leicht esoterischen Song eine Dance-Nummer mit Retro-Piano-House-Einsprengseln. Die Party kann beginnen. Und sogar Starley setzt sich eine bunte Partybrille auf und rockt den Dancefloor. Was so ein bisschen Aktion alles bewirken kann!




Freitag, 10. Februar 2017

KALEO: Way Down We Go



Verkörpert dieser Song wirklich das, was wir uns unter Musik aus Island vorstellen? Ganz aufrichtig: Nein.

Und das ist auch kein Wunder. Denn Kaleo firmieren zwar unter dem Label "Isländische Band", aber eigentlich leben sie schon seit gut zwei Jahren in den Vereinigten Staaten. Und zwar in Texas. Das im Hinterkopf, ist der Sound von Way Down We Go gar nicht mehr so überraschend. Und trotzdem kein bisschen weniger mitreißend.

Eigentlich ist der Titel schon eine ganze Weile veröffentlicht. Die All The Pretty Girls EP von Anfang 2015 listet den Song bereits als zweiten Track. Aber es brauchte doch eine Weile und wahrscheinlich auch noch das Album A/B von Ende 2016 bis auch der eine oder andere Soundscout die Band auf dem Radar hatte und in diverse Soundtracks hievte. Und so gelang der Sound unter die Menschen und schließlich in die Charts.

Was ist das Faszinierende an Way Down We Go?
Zuerst mal dieser träge sich hinschleppende Rhythmus, natürlich die herzzerreißende Stimme von Jökull Juliussonzwischen bitterem Flehen und völliger Verzweiflung, die quietschende Gitarre – und dann auch die ganz ganz feinen Anklänge von sphärischen Violinen, die dann eben doch einen kleinen Funken isländisches Flair in diesen ansonsten eher schwülen Song bringen.

Dieser Sound ist alles in allem keinesfalls neu. Versetzt mit zappeligen Videobild-Überblendungen wird das Ganze zu einer fiebrigen Erinnerung. Und weil da alles so schön verschwimmt, weiß man eben nicht genau: Ist das jetzt schon Rockabilly oder doch nur Lana del Ray … ähm sorry: Chris Isaak?

Egal – es ist in jedem Fall der schönste Retro-Hit, den wir seit Langem Langem hatten. Da lässt sich gut drin einlullen und das Jetzt und Heute vergessen. Denn schmerzhaft und schlimm war es früher auch schon.


Freitag, 3. Februar 2017

ZAYN | Taylor Swift:
I Don't Wanna Live Forever (Fifty Shades Darker)



Shades Of Grey und die dazugehörigen Verfilmungen scheinen also eines der bestimmenden Werke der 2010er zu sein. Das war für mich schon im Jahr 2011 reichlich unverständlich. Was genau ist an der Geschichte so aufregend, dass es MIllionen von Menschen dazu treibt, geradezu manisch die Bücher und Filme zu konsumieren? – Fast scheint es ja, als seien all die Leser*innen (angeblich mehrheitlich Frauen – wer weiß) wie Hauptfigur Ana gleichermaßen elektrisiert und naiv verblendet, immer mit der Hoffnung (dem Wissen?), hier gäbe es ein romantisches Familien-Happy End.

Eva Illouz findet eine ganz schöne Erläuterung: In Fifty Shades werden Beziehungen mehr oder weniger als Vertrag inszeniert, also einem Regelwerk, mit dem wir in allen Bereichen versuchen unser Zusammenleben zu definieren. Mit dieser Interpretation im Kopf, geht es in der Grey-Geschichte viel weniger um Emotionen, Verlangen und Gefühle als eher um Vertragsbruch, nicht geregelte Aspekte und die Unsicherheit/Angst, die entsteht, wenn etwas nicht auf- und unterschrieben ist. In den Romanen und Filmen wird das Ganze dann noch schön mit einer psychoanalytischen Komponente versehen – irgendwie auch wunderbar, wie hier Ursache und Wirkung sich ineinander verschlingen, die Rollen wechseln und ein großes Durcheinander verschiedenster Ebenen verursachen. Wer war zuerst da: Das Huhn oder das Ei? – Die Erklärung von Ängsten oder das Angstgefühl?

Shades Of Grey kann uns also auch zeigen, wie wir gerade miteinander leben und wie in einer kapitalistischen Welt Gefühle instrumentalisiert bzw. sortiert werden. Und natürlich erzählt es auch davon, was in diesem System irgendwie doch nicht so richtig funktioniert.

Ganz am Ende steht natürlich die Heirat und die traute Familie. Auch das keine große Überraschung, wenn auch reichlich ernüchternd. Eine Vision die sagt: Tobe dich ruhig aus, irgendwann landest du trotzdem in der Glücks-Normalität.
Mich würde ja jetzt schon interessieren, wie so ein Teil 4 aussehen könnte, wenn das ganze Einfamilienkartenhaus vielleicht ein paar Risse bekommt.

Nun also ist der zweite Teil als Verfilmung da. Und mit ihm auch ein Soundtrack, der eine hübsche Mischung angesagter Namen präsentiert: SIA, Halsey, Kygo, The Avener, John Legend ... und natürlich ZAYN & Taylor Swift. Die beiden präsentieren mit I Don't Wanna Live Forever (Fifty Shades Darker) so etwas wie den Signature-Song zum Film. Zwischen sparsam lasziver, elektronisch angehauchter Instrumentierung, flehendem Falsett-Gesang und irgendwie auch stadionmäßigen "Ohoho"-Gesängen platziert sich der Titel als musikalische Umsetzung eines Verlangens, eines Wunsches, der irgendwie nicht so einfach zu erreichen ist.

Eigentlich ist es ganz einfach: Er warted darauf, dass sie anruft, sie ist sich nicht sicher ob ihre Entscheidung, den Kontakt abzubrechen, wirklich richtig war. Das ist die Ausgangssituation zum zweiten Teil der Grey-Trilogie.
Gleichzeitig sind sich beide aber auch sicher: I don't wanna fit wherever I just wanna keep calling your name until you come back home
Das Warten, das Verlangen, das ist unaushaltbar und etwas, das definitiv nicht der Lebensinhalt der beiden sein sollte.

Ein bisschen grundsätzliche Verzweiflung schwingt in dem Song mit, da ja scheinbar der Ausgangspunkt dieses Klagens die Annahme des ewigen Lebens ist.
I Don't Wanna Live Forever – Mach' bloß, dass dieses unnütze Leben irgendwann aufhört. Und sei es erst nach 1.000 Jahren.

Umgekehrt angeschaut: Wenn du also zurück kommst zu mir, nach Hause (!), ich mir deiner Nähe und Gegenwart sicher bin, dann könnte ich mir das mit dem ewigen Leben schon vorstellen. Denn dann müsste ich mich ja auch nicht mehr so sehnen und verzehren …


Ich weiß nicht, ob wir alle diese Vision teilen – zumindest für Ana und Christian geht die Geschichte ja in eine Richtung, welche einen geringeren Emotions-Schmerzpegel verspricht. Sie steigt ins Taxi und fährt zu ihm …
Wie gesagt: Teil 4 steht noch aus.



Verglichen mit Earned It, einem der zentralen Songs aus Teil I, ist I Don't Wanna Live Forever um einiges existenzieller, vielleicht auch verzweifelter. Oder unszeniert sich zumindest so. Bei Earned It ging es einfach nur um lustvolles Verlangen und die Steigerung ins möglichst Extreme. Love Me Like You Do holte zum überbordenden Genuss aus – I Don't Wanna Live Forever ist dagegen das Leiden pur. Ana und Christian haben nun tatsächlich mit ihren Gefühlen zu kämpfen. Oder müssen erstmal rauskriegen, was diese überhaupt sind. Es wird also kompliziert.

Nicht umsonst steht das reichlich oft in Statuszeilen sozialer Netzwerke. Bei allen Freiheiten und Vertragsklauseln – einfacher ist das Beziehungsleben in den 2010ern auf keinen Fall geworden.