Freitag, 20. Januar 2017

Ed Sheeran: Castle On The Hill



Habe ich letzte Woche Ed Sheeran über den grünen Klee gelobt, so kommt hier die harte Landung. Castle On The Hill ist die zweite Single, die das Album Divide ankündigt. Und auf der macht Ed Sheeran alles das, was so ein Singer/Songwriter erwartbarerweise irgendwann mal machen muss. Er begibt sich auf den Weg zu seinen Wurzeln, in seine Jugend, da wo alles noch so einfach war und das Leben voller Überraschungen. Zu den Leuten, die ihn das Leben gelehrt haben, mit denen er aufgewachsen ist – Freunde für's Leben sagt man dazu auch gern …

Und das Ganze hat tatsächlich einen ziemlich bitter-traurigen Unterton. Denn alles was diese Freunde im Heute sind, klingt irgendwie schäbig und viel weniger wert als das Kinderjugenddasein:
One friend left to sell clothes
One works down by the coast
One had two kids but lives alone
One's brother overdosed
One's already on his second wife
One's just barely getting by

Da bleibt nicht viel übrig als die schönen Erinnerungen.

In diese Welt fährt Ed Sheeran also zurück. Und er freut sich drauf. Er freut sich auf die Erinnerungen: Früher war alles gut.

Hmm - das ist so die Haltung, die wir doch recht häufig antreffen. In allen Generationen. Früher – ja, früher, da war die Welt noch in Ordnung!

Ist natürlich alles Quark. Mag sein, für manchen waren die Jugendjahre die glücklichsten. Aber hey, wer es nicht schafft als erwachsener Mensch immer noch Spaß und Freude zu haben, sich bewusst für oder gegen etwas zu entscheiden, dem oder der ist vermutlich wirklich nicht mehr zu helfen. Denn das Glück der Jugend liegt doch vor allem darin, dass man beschützt wird von den Eltern. Die am Ende sehr stark bestimmen, wohin man sich entwickelt. Von wegen Freiheit und Glück. Vielleicht so ein bisschen beim Rumalbern in der Pampa. Aber entscheide dich mal mit 14 einfach so auszuziehen oder die Schule zu schmeißen – Stress vorprogrammiert. Also bleibst du eben doch in den vorgeplanten Bahnen und reißt den vorgezeichneten Weg runter. Am Ende traust du dich gar nicht mehr, irgendwas abseits der Normalität zu tun und endest im tristen, langweiligen Alltag. Schade!

Ich habe mein Leben bisher völlig anders gelebt. Ich bin glücklich aufgewachsen, beschützt, behütet und auch genauso ausgelassen wie es Ed Sheeran beschreibt. Aber ich fand es auch cool mit Mitte zwanzig genau das zu machen, was mir gefällt. Meine Eltern und Großeltern – waren mir weitestgehend egal. Ich hab sie allerdings auch nie um Unterstützung für meine Entscheidungen gebeten. Mit 30 wusste ich, was ich vom Leben wollte und kriegen konnte und ein paar Jahre später haben sogar meine Eltern meinen Lebensstil ein bisschen bewundert. Und als mich meine Mutter zum 40. fragte: Was würdest du anders machen, wenn du nochmal Leben könntest? - da war meine Antwort: Nichts!

Und genau deshalb kann ich so einen verklärenden Jugendheimatlobgesang nicht teilen. Alles, was damals schön war, ist heute noch genauso. Ich guck mir romantisch den Sonnenuntergang an, ich verliebe mich, ich lerne Menschen kennen, ich habe Freunde, ich lebe … Warum nochmal soll es an dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin, so besonders sein?

Konsequenterweise erzählt mir Ed Sheeran die Geschichte von seiner Rückkehr in die Heimat- und Jugenderinnerungen in einem Sound, der ebenfalls weit weit zurück liegt. Die Gitarrenwellen klingen ordentlich nach U2 in den 80ern. Und Tiny Dancer von Elton John wird dann auch gleich noch zitiert. Aber halt: Mitte 80er war Ed Sheeran doch noch gar nicht auf dieser Welt. Und Tiny Dancer stammt sogar aus dem Jahr 1971. Hier wird also eine Zeit vergoldet, die gar nicht selbst erlebt wurde, also ein Märchentraum. Ach je ... da war die eigene Jugend dann vermutlich doch gar nicht so rosig. Nur die Brille durch die wir blicken, macht sie so schön.

Vielleicht blickt Ed Sheeran so gern auf die Jugend, weil er mit Mitte 20 einfach noch nicht erwachsen genug ist. Alles befindet sich noch im Umbruch. Kann ich das jetzt entscheiden oder soll ich doch noch meine Eltern fragen? Wie doof ist das denn, das ich jetzt selbst entscheiden muss, was ich mir leisten kann? Und was erwarten die Menschen von mir? Darf ich mich einfach so gehen lassen? Und wie doof ist das eigentlich, dass ich jetzt alles eigenverantwortlich entscheiden muss?

Das, wonach sich Ed Sheeran zurücksehnt, ist die Zeit der konsequenzlosen Handlungen. Die Zeit der Unmündigkeit. Ich finde nicht, dass es sich lohnt, diesen Zeiten auch nur eine einzige Träne nachzuweinen. Noch schlimmer: Diese Einstellung halte ich sogar für ziemlich gefährlich. Sie ist nämlich durchaus ein Grund, warum es Leuten egal ist, hinter welchem Namen sie ein Kreuz machen. Einfach nicht mehr nachdenken müssen und irgendwelche Typen machen lassen. Bloß keine Verantwortung übernehmen. Dann kann man hinterher auch schön drüber meckern …

Schade eigentlich. Ich glaub, Ed Sheeran sollte einfach noch ein paar Jahre älter werden. Vielleicht erkennt er dann wie geil das Leben sein kann, wenn man sich die Freiheiten der Jugend einfach bewusst nimmt und selbst bestimmt, wie alt man sich fühlt. Zur Burg auf dem Hügel kann man dann natürlich trotzdem noch gehen. Einfach ohne dieses seltsame Zurücksehnen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen