Freitag, 23. Februar 2018

The Chainsmokers: Sick Boy



Können es die Chainsmokers dann doch? – Nachdem ich Sick Boy das erste Mal gesehen hatte, war ich einigermaßen überrascht. Tatsächlich habe ich Lust, den Track noch ein zweites Mal zu hören. Das kam das letzte Mal bei den beiden Jungs vor gut vier Jahren vor, als sie mit Selfie einen hübsch ironiegetränkten Abgesang auf die Selbstinszenierung hinlegten. Danach verfielen sie selbst komplett dem selbstverliebten Gebaren.

Und nun Sick Boy. Fulminant, wie wir es gewohnt sind. Pathetisch wie nicht anders erwartet. Und genau deshalb vollkommen überzeugend. Denn in Sick Boy geht es um eine gnadenlose Beschreibung des Lebens in 2018: Mediale Öffentlichkeit, Oberflächlichkeit, Selbstoptimierung, Hysterie und die permanente Überforderung durch Entscheidungsfreiheit. Das alles steckt in dem Track.

Und die Produktion bleibt nicht einfach beim selbstgenügsamen Jammern – hier positioniert sich jemand lautstark und trotzig. Man kann auch existieren und leben, wenn man gerade nicht Everybody's Darling ist. Was sind schon 1.000.000 Likes wert? Schaff das erstmal, damit umzugehen, dass dich die einen hassen während die anderen dich lieben. Und wer weiß schon, wie es wirklich in mir aussieht? Vielleicht nichtmal ich selbst.

Freitag, 16. Februar 2018

Liam Payne & Rita Ora:
For You (Fifty Shades Freed)

Es geht ganz pathetisch fulminant los mit Computer-Streichern. Ebenso pathetisch spaziert Rita Ora durch einen Schlossgarten. Das ist in bester Globalpop-Manier inszeniert. Die Träume aus Nahost sehen ungefähr genauso aus: verklärter Romantik-Historismus.



Das ist natürlich auch genau das, was die Grey-Fans erwarten. Schmonzetten-Drama in möglichst unbeschwerter, das heißt reichtumgeschwängerter Umgebung. Wir wollen uns gern vormachen, dass auch dei Reichen und Schönen dieser Welt nicht einfach so glücklich sein können. Ex-Liebhaber und jede Menge Eifersucht steht da als hürde im Weg. Aber klar – am Ende kommen die beiden doch zusammen...

Die 2010er kennen eigentlich schon eine ganze Menge an anderer Lebens- und Liebeskonstellationen. Das verschweigt das Mainstream-Kino aber nur zu gerne. Was zählt ist nach wie vor der Romantikzinnober aus dem 19. Jahrhundert. Utta Danella und Rosamunde Pilcher lassen grüssen.

Die Musik zum Film versucht mit dem Refrain einen kurzen Moment land etwas moderner zu werden, ein Rhythmus wird dazugemischt, Rita Ora tanzt und dann singt fast tasächlich 2010-mäßig Liam Payne. Aber auch diese Zutaten holen den Song nicht mehr raus aus dem bräsigen Popkitsch, der mich arg an die Mittelmäßigkeit von 90er Jahre Produktionen erinnert. ZAYN & SIA sind da um einiges weiter: Mehr Bombast, mehr Kitsch, mehr Mut zu nicht ganz einfachen Harmoniefolgen.

For You ist Massenware. Für ein Publikum, das sich gern in Schnulzigkeit verliert. Dabei aber keinen Moment etwas riskiert, das die vorgezeichneten Wege verlässt. Wirkliche Überraschungen sind ausgeschlossen. Zwischentöne oder Sichten abseits von Schwarz & Weiß ungewollt. Schöne langweilige Märchenwelt.

Freitag, 9. Februar 2018

UFO361 AT Beatz x Jimmy Torrio: Beverly Hills



In irgendeiner der Jahresrückblicke dieser schlauen Musikmagazine stand so ein Satz wie: "Seit froh, dass 2017 deutscher HipHop so erfolgreich war, denn in 2018 wird kein Hahn mehr danach krähen." Nun - UFO361 könnte schonmal der Gegenbeweis sein, denn sein jüngster Track Beverly Hills prasselt mal so was von rein in die deutsche Chartspitze – Platz 4 in der ersten Woche nach Veröffentlichung, bester Neueinsteiger in 2018 so far, beste Platzierung seiner Karriere ... da geht also grad einiges.

Ist natürlich auch klar, warum. Beim allerersten Hören von Beverly Hills finde ich schon deutliche Anleihen an den Sound von RIN oder Bausa. Der Straßenrecke schielt also durchaus auf die Erfolgskonzepte der weichgespülten Raop-Stars. Umso witziger ist es, dass er in seinen Lyrics permanent behauptet, dass er es geschafft hat ohne sich zu verbiegen, ohne Kompromisse, ohne die Hilfe anderer. Nunja, das ist ja gerade auch sehr weit verbreitet: Möglichst viele Klicks erreichen mit behaupteten Dingen, von denen es auch egal ist ob sie so gemeint waren oder nicht.

UFO361 feiert sich und seinen Fame also – und wir schauen ihm dabei zu.



Was den Track dann vielleicht wirklich erfolgreich macht ist die Produktion. Da stehen hinter dem Rapper schon auf dem Coverbildchen AT Beatz & Jimmy Torrio. Beide keine Unbekannten.

Dass zunehmend die Producer in den Videovorspännen und sogar auf den Covers prangen beschreibt eine neue Entwicklung, die wir aus der Pop-Welt schon ganz gut kennen. Wichtig sind weniger die Gesichter, die vorn dran stehen. Wichtig sind die Magier an den Knöpfen. Würde mich nicht wundern, wenn wir schon bald den ersten Boney M./Milli Vanilli-Skandal im HipHop-Business haben und feststellen: Der Typ, der da so frech in die Kamera grinst, hat die Rhymes gar nicht selbst beigesteuert...

Freitag, 2. Februar 2018

Drake: God's Plan



Es sind gut anderthalb Jahre vergangen seit der kanadische Rapper Drake wie ein Blitz den Nerv der Musikkaufenden in Deutschland und aller Welt mit One Dance traf und sich so als einer der heißesten Acts des nordamerikanischen Kontinents etablierte. Das strahlt irgendwie bis heute aus. Und so ist es fast schon kein Wunder, dass in diesem Moment einer seiner neuen Songs zum ersten wirklich neuen Hit von 2018 wird.

Wobei es da schon auch eine kleine Schrägheit zu beobachten gibt. Genau genommen ist nämlich God's Plan nur im Bundle mit Diplomatic Immunity zu haben – so behaupten es jedenfalls die offiziellen Mitteilungen. Scary Hours nennt sich die Mini-EP (früher hieß so ein Zwei-Titel-Ding Single), die da seit 19. Januar erhältlich ist. Und natürlich ist es wie in früheren Zeiten: Ein Song setzt sich durch, steht in den Listen und die B-Seite interessiert eigentlich keinen. Obwohl auch das wieder nicht der vollen Wahrheit entspricht: In den USA bringt es Diplomatic Immunity parallel bis auf Platz 7 – auch in der Schweiz und Österreich hat dieser Song einige Fans gefunden. Nur in Deutschland - da gelten mal wieder gesonderte Regeln und der Titel, der da offiziell in den Charts landet ist God's Plan.

Was den Track so unwiderstehlich und einmalig macht? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Genaugenommen ist es die 1:1-Fortsetzung seines Albums More Life. Gewohnt entspannter Beat, Lyrics und Rhymes mit einem winzigen Vocoder-Effekt drauf, das Ganze auch ein bisschen vernebelt – das tuckert im besten Fall schön als Hintergrundmucke durch die Spielzimmer der Nation.

Und ja, auch die Lyrics sind dann näher besehen nichts anderes als Durchschnittsgelaber: Es gibt Leute, die wollen mir nur Schlechtes – mir egal, ich schaff's auch ohne fremde Hilfe. Liebe? Eigentlich liebe ich nur mich selbst (mein Bett - haha) und meine Mami...

Is schon immer wieder krass, wie sehr die harten Jungs – ob sie nun StraßenHipHop oder weichgespülten Mainstream-Raop machen – immer wieder und nur auf ihre Mami abfahren. Familie – das ist das große Ideal. Mami – das ist die einzige und perfekte Frau. In so einem Umfeld ist nicht viel an Freiheit möglich. Vor allem ist es nach außen hin reichlich feindselig. Alles was nicht Familie und Mami ist, das hat keinen Wert, das ist im schlimmsten Fall sogar bekämpfenswert, weil es zum Beispiel das kleine beschauliche und beschützte Leben durch seine irgendwie andere Existenz bedroht.

Bei Drake ist die Familie ein klein bisschen größer definiert. Im Video feiert er seine schwarze Community. Das sind seine Brüder und Schwestern. Da kommt er her. Und weil er um die Scheiß-Lebensbedingungen weiß, spendet er mal kurzerhand knapp 1 Million Dollar.



Das ist natürlich ein ziemlich geiler Vermarktungstrick, der auch ans Herz geht. Im Supermarkt können seine Bros und Sis endlich mal einpacken, was sie wirklich begehren, die Kids kriegen alle ein hübsches Spielzeug und in der Shopping Mall gibt es Gutscheine. Ja, es geht auch ein bisschen nachhaltiger – wenn Drake sein Geld der high School gibt, dann ist es vielleicht nicht schon nächste Woche alles verbraucht. Dennoch, es bleibt zu befürchten, dass diese Aktion nur ein kurzes Glück nach sich zieht.

All das lässt sich natürlich auch an anderen Spendenaktionen kritisieren. Deshalb muss ich hier mit Drake auch nicht allzu hart ins Gericht gehen. Zumal im Zusammenhang mit der Aktion der Text des Tracks doch nochmal eine ganz andere Bedeutung bekommt. Statt auf die Rettung durch Gott zu warten oder sich in ein vermeintliches Schicksal zu ergeben, nimmt Drake mal einfach die Sache selbst in die Hand. Und fordert damit auch alle auf, die da gerade auf der anderen Seite sitzen und auf Almosen angewiesen sind: Packt die Zustände selbst an, kümmert euch, wartet nicht auf den Retter – und in diesen Zusammenhängen ist der Verweis auf Familie und Verwandtschaft nochmal anders zu lesen. Als Gemeinschaft, egal ob durch Gene oder von außen definierte Zugehörigkeit bestimmt, ist man stärker als beim Einzelkämpfertum.

Drake macht mit seiner Aktion also auch deutlich: Dieses eine Mal kann ich euch helfen – um dauerhaft die derzeitigen Zustände zu ändern, müsst ihr aber schon selbst aktiv werden. Mehr als eine Starthilfe kann die Unterstützung von Außen nicht sein.
Und wartet bloß nicht auf Gott. Oder einen Popstar.
Das ist mal wirklich einigermaßen klug.