Freitag, 6. Oktober 2017

Kollegah & Farid Bang: Sturmmaske auf (Intro)



Es herrscht Krieg im deutschen Rap-Business. Da sind die lieben Weicheier und Wohlstandskinder wie RIN und Cro, da sind die neuen Stars aus Dresden, da sind die harten Jungs aus Hamburg und da ist noch der selbsternannte King, dessen Stern zu sinken droht. Und alle zusammen dissen sich was das Zeug hält, beleidigen sich öffentlich um dann doch ein paar Monate später miteinander ins Bett zu gehen. Manchmal ist der Hass echt, meistens total belangloses Gepose. Und klar: Immer nur der am Mik hat Battle-Rap gerade verstanden und über alles die Deutungshoheit.

Kollegah & Farid Bang also. Sie sind wieder da. Nach mehr als vier Jahren. Und da müssen sie natürlich erstmal auf die Kacke hauen was das Zeug hält. Wer ist Nummer 1? Wir sind's!

Tatsächlich geht der Vorab-Release zum neuen Rundling Sturmmaske auf in den Songcharts von 0 auf die 1. Das hat zuvor gerade ein anderes deutsches Duo geschafft - Kay One & Pietro Lombardi. Das ist also die Liga, in der die krassen Rapper aus Deutschland mitspielen: Retorten-Stars ohne eigenes Format.

Wenn ich mir Sturmmaske auf anhöre, dann frage ich mich tatsächlich, was da im Vergleich zu JBG 1 und 2 passiert ist. Nicht viel offenbar. Acht Jahre ohne Entwicklung? – Gut, Modern Talking hat auch ungefähr fünfmal dasselbe Album auf den Markt geworfen und sehr gut verkauft. Dieter Bohlen ist so zum Star geworden und beherrschte recht lange die Privatfernsehsender. Warum also nicht das gleiche Rezept in den 2010ern wieder anwenden? Denn auch in der Welt von Kollegah und Farid Bang ist Reichtum das Einzige was zählt. Vermutlich ist es ihnen deshalb auch ziemlich egal, wenn es künstlerisch nicht so besonders viel Entwicklung gibt. Auch der Chartact ohne einzigartige Fähigkeiten, kann schnelle Autos fahren, Champagner trinken und einen überdimensionalen Pool haben...

Den Fans und Musikkonsumierenden ist es offenbar ebenfalls nicht wichtig, ob Kollegah nun sein Markenzeichen als ehemals schnellstrappender Deutscher verteidigt oder nicht. Es knallt halt mächtig, es wird gedisst und gebasht. Und alles in allem wird hier ein recht archaisches Weltbild zelebriert: Der Stärkere bestimmt, wo es lang geht, am besten ohne Recht und Gesetz, einfach draufhauen ... So was kommt zur Zeit in Deutschland ganz gut an. Rumschreien, Zeug behaupten und natürlich immer Recht haben. Wie nachhaltig sich das hält, werden wir sehen. Das Rennen um die bestverkaufte Single der kommenden Woche läuft bereits.

Jetzt kann man den 100. Aufguss von "Ich bin der King, ihr anderen seid die Opfer" auch als Beständigkeit auslegen. Kollegah und Farid Bang haben halt ihren Stil gefunden – warum etwas Neues erfinden, wenn doch das Alte so gut funktioniert?
Ja, das ist tatsächlich die Frage. Und zwar eine mit ziemlich globaler Relevanz. Die einen finden, dass es doch total gut war, wie es einst war – all das moderne Zeug und der Schnickschnack, wer will das? Und diese Typen kriegen derzeit ganz schön Oberwasser, weil doch eine ganze Menge Menschen Angst haben vor dem Neuen und sich zurück wünschen in die Vergangenheit als sie alle noch wie Tiere gehalten wurden.

OK – kann man machen. Hilft aber nicht viel. Die Kirche hat auch viele Jahrhunderte lang behauptet, die Welt wäre eine Scheibe um welche die Sonne kreist. Das hat am Ende nichts genutzt und zum Mond sind eher die geflogen, die sich nicht mit den einfachen Erklärungen zufrieden gegeben haben.
Darf sich also jede*r selbst aussuchen, was ihnsie glücklich macht.

Kollegah und Farid Bang haben sich zumindest für ihre öffentliche Auftritte entschieden eher die brutale Retronummer zu fahren. Keine Entwicklung, keine moderne Welt. Als gesellschaftliche Outlaws hätten sie es unter anderen Bedingungen allerdings nie zu dem Punkt geschafft, an dem sie sich jetzt befinden. Und genau betrachtet, scheint ihr Rumgeballer tatsächlich nichts anderes als ein Ablenkmanöver von ihrer Verletzbarkeit zu sein. Schön zu sehen am Ende des Gangsterkriegsvideos von Sturmmaske auf. Da steht doch tatsächlich:
In Lieber Erinnerung an unseren Bruder (inklusive Schreibfehler)
Lasst euch das auf der Zunge zergehen: In LIEBER Erinnerung!
Was ist denn das für ein Gefühl? – Liebe.
Grassiert gerade die große Weicheierei unter den brutalen Rappern? MERT und Bausa beschweren sich ja auch aktuell darüber, dass es keine Liebe mehr gibt ...
Schon klar, wer jetzt hier die Homos sind, oder?