Freitag, 30. Juni 2017

jonas Blue Featuring William Singe: Mama



Woran denkst du, wenn du eine richtig gute Zeit hast? Mit der Freundin chillst, eine Poolparty feierst, entspannt im Club abhängst? – Ich behaupte mal: Sicher nicht an deine Mutter. Falsch!
Die Generation Jonas Blue kann nicht unbeschwert die Jugend genießen, sie muss auf alle Fälle noch zu Hause bescheid sagen, dass sich Mama nur keine Sorgen macht. Wir sind ja im Morgengrauen zurück. Und wir machen auch nichts Schlimmes. Drogen? - Niemals! Austesten, wo die Grenzen sind? - Nonono! Einfach mal etwas Unvernünftiges tun? - Auweia! Jung sein? - Was ist das?

Davon handelt der neue Hit von Jonas Blue, zu dem er sich den australischen Sänger William Singe ins Studio geholt hat und der wieder ein harmlos seichtes Stückchen Tropical House ist. Damit bleibt der Brite seinem Erfolgsrezept treu. Neu ist höchstens, dass auch der lässig gestylte Sänger nichts anderes als ein Bübchen ist, das lieber nicht von zu Hause auszieht. Ist doch ganz bequem dort. Und wenn die Eltern ohnehin alles ganz antiautoritär durchgehen lassen ... Warum soll man da noch rebellieren?

Laut wikipedia-Artikel ist Mama ja ein Titel über die Freiheit der Jugend, die Unbeschwertheit. Könnte man beim Tropical House-Sound auch genauso vermuten. Nichts stört das Glück. Perfekt! – Dass es dann doch der Erklärung zu Hause bedarf, zumindest der Mitteilung: "Bin im Morgengrauen wieder da." hat irgendwie aber den Geschmack, dass es eben doch nicht so harmlos und lustig ist, wie es scheint. Wenn es nämlich plötzlich vor lauter Schönheit und Genuss etwas länger dauert als Morgen früh, was dann?

Diese Diskrepanz stört die meisten Menschen eher nicht. Es ist sogar zu vermuten, dass sie diese gar nicht wahrnehmen. Zumindest machte kürzlich eine (nicht repräsentative) Umfrage unter Fans von Xavier Naidoo deutlich, dass die Texte so richtig niemand wahrnimmt. "Die Musik ist halt schön.", war die häufigste Aussage.

Mama könnte also gut und gerne auch ein Lied sein, dass gar keinen Text braucht. Warum dann William Singe überhaupt ins Studio eingeladen wurde, ist ein bisschen rätselhaft. Vielleicht hat er einfach nicht viel gekostet. Und so ein Text, den man irgendwie selbstvergessen und verstandslos mitsingen kann, erhöht ja irgendwie auch den Wiedererkennungswert.

Betrachte ich also die Produktion als ein Ergebnis aus sehr berechnendem Kalkül. So muss es klingen, dann wird es ein Erfolg. Vor dieser Folie funktioniert auch das Video ganz gut. Das gibt nämlich vor eine Gangsterstory zu erzählen, am Ende ist es aber eher ein Setting, dass schön Strand- und Landschaftsaufnahmen kombiniert mit ein paar Produkten der Luxusgüterindustrie. Das ist die Freiheit, die zählt: Ein schnelles Auto und chice Sonnenbrillen. Was wünscht sich der junge Mensch im Jahr 2017 mehr? Ach ja - die Mama, die das alles bezahlt. Prost!


Freitag, 23. Juni 2017

DJ Khaled Rihanna Bryson Tiller:
Wild Thoughts

Mit Wild Thoughts beweist DJ Khaled, dass er ein bisschen mehr drauf hat als Hampelmannmusik zu machen und sich im Social Web als debiler Serienstar zu vermarkten. Wild Thoughts verknüpft musikalisch tatsächlich ein paar Elemente, die im Zusammenspiel etwas ergeben, was ich zumindest nicht völlig in die Ecke Beliebigkeitsbrei stecken würde. Auch wenn die Zutaten nun wahrlich nicht völlig überraschend sind.

Es beginnt mit einem simplen und coolen Beat, der sehr schnell mit einer lateinamerikanischen Gitarrenmelodie ergänzt wird. Rihanna singt, ein paar Streicher setzen ein und als Refrain gibt es einen Gitarrenriff von Santana, der uns im Sommer 2000 begleitete. Da DJ Khaled an dieser Stelle verzichtet noch mehr Zutaten in den Topf zu packen – na gut, er darf sich eins-zweimal in guter alter Rap-Manier selbst preisen – ist der Song insgesamt doch ganz cool. Da lässt sich in heißen Nächten schonmal ein bisschen der Dancefloor bemühen. Allemal ist diese Variante karibischen Flairs spannender als der 101. Aufwasch von Luis Fonsi.



Zu lange Lobeshymnen verbieten sich allerdings, denn wenn ich mir das Video und Artwork zu der Single betrachte, dann fühle ich mich schon ordentlich in die 2000er zurück versetzt. Dekorationswahn und Luxusdemonstration wird hier in Höchstform zelebriert. Söhnchen Asahd wird königlich inszeniert. Warum eigentlich?
Ist es wirklich geil, wie ein arabischer Scheich zu leben? Und was daran genau ist so attraktiv?

Einmal mehr erwische ich mich dabei, wie ich realisiere, dass es eine ganze Menge Menschen gibt, die durch Armut und dadurch resultierende Unwissenheit einfach abgehängt sind. Als benachteiligter Mensch – aus welchen Gründen auch immer – ist mir schnell egal, was andere vor mir schon geschaffen haben, was andere denken und wie es gehen könnte, dass mehr Menschen auf der Welt ihr Glück finden. Wenn ich mein Leben lang kämpfen musste um akzeptiert zu werden oder überhaupt zu überleben, dann ist das Ziel eben vor allem mein eigenes Wohlbefinden. Und das der nächsten Familie natürlich. Moral, ethisches Bewusstsein, Rücksicht – fuck off!

Und da sich mittlerweile doch einige Menschen auf diese Art hocharbeiten konnten – soll heißen: sich Villa, Pool und schnelles Cabrio leisten können – darum gibt es in der Zwischenzeit auch eine Schicht in der Gesellschaft, die von den immer schon Privilegierten zwar überhaupt nicht akzeptiert werden, von den weiterhin Ausgegrenzten aber reliquienhaft verehrt werden. Und in dieser Schicht gelten besondere Regeln. Zum Beispiel, dass es eben cool ist, seinen erkämpften Status zu zelebrieren. Undauch: Die Regeln, die es einem doch überhaupt erst so schwer gemacht haben, auf gar keinen Fall zu ändern, sondern in besonderer Konsequenz und Arroganz aufrecht zu erhalten und mitzuspielen.

So etwas geht mir also durch den Kopf, als ich Bryson Tiller rappen höre – da habe ich noch nicht ein Wort von dem wirklich wahrgenommen, was er da von sich gibt. Und wahrscheinlich tue ich ihm unrecht mit meinen Vorurteilen. Gleichzeitig weiß ich, dass ihm das ziemlich egal ist, was so ein Volltrottel denkt. So wie es DJ Khaled vermutlich auch völlig egal ist, ob ich seine Musik mag oder nicht. – Wobei ... der ist vielleicht nicht drauf angewiesen, was ich als Einzelner denke, aber sobald eine größere Menge von Konsumenten kein Interesse mehr an seinem Lebensstil zeigt, wird es ihn schmerzen. Denn das was er wirklich braucht zum Überleben ist Aufmerksamkeit. Ich denke, er wird diese noch eine ganze Weile erhalten.

Freitag, 16. Juni 2017

David Guetta Ft. Justin Bieber: 2U



Es war abzusehen, dass sich irgendwann die derzeit international produktivsten und erfolgreichsten Chartacts zusammentun müssen. David Guetta, der die frühen 2010er beherrschte wie kein anderer, bereitet ein neues Album vor. Dieses dürfte die Hit-Veröffentlichungen des letzten Jahres This One's For You, Would I Lie To You und Shed A Light ebenso enthalten wie das im Frühjahr veröffentlichte Light My Body Up, das mit ziemlicher Deutlichkeit beim Publikum durchfiel. Die Zusammenarbeit mit dem aktuellen Superstar Justin Bieber ist dagegen eine sichere Sache. Der kann zur Zeit nämlich machen was er will – spanisch singen oder mit einem Rap-Produzenten halbnackt um den Pool springen – es wird ein Hit. So also auch 2U.

Um die Single herum erschien ein Haufen Promozeug. Das machen Musikfirmen mittlerweile nicht mehr allzu oft. Es sei denn, sie wollen absolut sicherstellen, dass die Veröffentlichung gleich in der ersten Woche richtig knallt. So ist es hier der Fall. David Guetta darf seine Bewunderung für den kanadischen Sänger erläutern und ein Video mit Modells der Marke Victoria's Secret erscheint. Hat alles wenig mit dem eigentlichen Song zu tun – schafft aber ordentlich Aufmerksamkeit.



Da der Song sich insgesamt ordentlich am aktuellen Future-Bass-Chainsmokers-Sound orientiert, ist dann auch ganz schnell eine riesige Fanschar zugegen, die das Ding auf ihre Player lädt und sich den Alltag beschallt. Zu den auffälligsten Merkmalen gehören demnach heftige Brüche zwischen dem romantischen Gesang Justin Biebers und den Synthesizer- und Vocoder-Einsprengseln. Und damit bin ich auch schon durch mit der Beschreibung, was 2U so bietet. – Insgesamt ist das ordentlich erschreckend, wie wenig es benötigt um sich in der Masse durchzusetzen. Da ist nicht mal mehr clevere Vermarktung zu finden. Alles 08/15.

Ok - ihr dürft es lieben. Ihr könnt es kaufen. Ein Meilenstein ist es definitiv nicht. Höchstens das Cover würde ich als zeitgemäß und mit dem kryptischen Titel als interessant beschreiben. Ansonsten findet man die Höhebpunkte des Genres eher bei Leuten wie Flume.

Freitag, 9. Juni 2017

Imagine Dragons: Thunder



Jetzt werde ich wohl doch noch ein Fan von den Imagine Dragons. Zumindest überzeugen mich die letzten Veröffentlichungen schon ordentlich. Es begann im Sommer letzten Jahres als mit dem Soundtrack zum ansonsten irgendwie auch einfallslosen Suicide Squad erschien. Sucker For Pain war da eines der Highlights. Nicht zuletzt, weil Sänger Dan Reynolds dem Refrain einen ordentlich inbrünstigen Wiedererkennungswert gab.
Dann folgte Anfang diesen Jahres die erste Single aus dem neuen Album: Believer. Die war trotz (oder wegen?) ihrer Geschmeidigkeit kombiniert mit Falsett-Refrain ein faszinierender Streich, der sich sogar im Ohr festsetzte. Für den kompletten Überflieger-Hit war es dann aber vielleicht doch zu grob gestrickt. Zumindest in Deutschland war kurz vor den Top 20 Schluss.

Bei Thunder sieht das nun ganz anders aus. Auch hier setzen die Imagine Dragons klar auf vordergründige Drums lassen aber die Kopfstimme weg. Was ein bisschen schade ist, aber trotzdem funktioniert. Vielleicht auch deshalb, weil es mit sehr sehr deutlichen Anleihen an einen Independent-Hit aus den späten 2000ern anknüpft – um nicht zu sagen: diesen zitiert. Der Schusswaffen-Dreierbeat im Refrain erinnert nämlich ordentlich an Paper Planes von M.I.A..


M.I.A. Paper Planes

Der entscheidende Dreh bei Thunder ist die Kombination des brutal trockenen Beats mit der verzerrten Mickeymaus-Stimme. Im ersten Moment bin ich zusammengezuckt, spätestens aber mit dem Alien-Video ergibt auch dieses Stilmittel einen Sinn.

Überhaupt dieses Video! Frank Zappa meinte zwar mal "Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu tanzen.", könnte gut sein, dass spätestens mit Thunder gezeigt wird: Geht.

Natürlich macht das Regisseur Joseph Kahn nicht unter Dubai, der Stadt, die irgendwie gerade das Non plus Ultra darstellt. Aber auch das: Funktioniert. Wo es viel Beton gibt, da gibt es auch viel Fläche, die besetzt werden will. Und selbst wenn man Anfangs die Alien-Nummer und das Rumgezappele von Dan Reynolds noch etwas albern findet, spätestens wenn sich die Figuren multiplizieren und zur Choreographie-Armee werden ist klar: Viel anders muss man gar nicht mit endlosen Glasfassaden umgehen. Das ist schon sehr schön adäquat.



Mit Thunder haben mir also die Imagine Dragons bewiesen, dass ich sehr wohl was mit Alternative Rock anfangen kann. Und sogar fliegende Schafe aushalte. Das kommt nicht so oft vor.

Freitag, 2. Juni 2017

Helene Fischer: Herzbeben

Nun hat sie also ihren zweiten Top 10 Hit. Es scheint so, als würde sich die Popularität der Helene Fischer nun endlich auch in Hits ausdrücken. Denn fürwahr – ihre Songs sind so weit verbreitet, auf keinem Anlass darf ein Song von ihr fehlen und mitsingen können fast immer alle. Nicht nur bei Atemlos durch die Nacht.

Jetzt also Herzbeben.

Das Phänomen an Helene Fischer ist, dass sie die Massen begeistert, gleichzeitig aber auch unglaublich viele Menschen zu Abscheu verleitet. Nicht einfach nur: "Langweilig, interessiert mich nicht." Sondern: "Hilfe! Unmöglich! Grässlich!"
Und dabei schaukeln sich beide Seiten hoch. Auch nur ein kleinstes Detail zu kritiseren wird sofort und gnadenlos mit Beschimpfungen geahndet. Umgekehrt, irgendetwas Gutes zu diagnostizieren, zeitigt die totale Verachtung. Ein Dazwischen ist nicht möglich.
Das erinnert ganz schön an andere Diskurse der letzten Woche.

Helene Fischer – oder besser: die Reaktionen zu Helene Fischer spiegeln also recht deutlich, wie es hierzulande gerade so zugeht. Da will eine eigentlich nur Spaß haben, Party machen – und prompt wird sie von 2.000 Fußball-Fans beim Pokal-Finale ausgebuht. Wobei ihre etwas seichte Weltsicht vielleicht nur die halbe Ursache für das laute Pfeifkonzert ist. Wenn man nämlich die kursierenden Posts richtig deutet, dann war es unter anderem auch die überbordende Kommerzialisierung des Pausen-Acts. Sprich: Innerhalb von wenigen Tagen ist Helene Fischer omnipräsent im deutschen Fernsehen: Germany's Next Top Model, DFB-Finale, Let's Dance … und es ist kein Geheimnis, dass jeder Ihrer Auftritte ordentlich bezahlt wird. Geld, das man auch für sinnvolle Dinge ausgeben könnte.

Der Unmut über Helen Fischer stammt also zu einem Teil aus dem üblichen Neid, den erfolgreiche deutsche Popstars immer wieder erfahren, zum anderen aber auch aus einer irgendwie auch deutschen Eigenschaft: Das, was einmal Erfolg hat gnadenlos zu vermarkten. In Sachen Helene Fischer sieht das dann zum Beispiel so aus, dass man von ihrem neuen Album nicht einen einzigen Track irgendwo als kostenloses Angebot findet. Maximal 15 s – aus war's. Da wo andere Stars sagen: Ich hab schon genug Geld verdient, ich schenk euch meine Musik – und wenn ihr sie trotzdem hübsch verpackt wollt, dann kauft euch die CD mit allerlei Extras. – An dieser Stelle geht Helene Fischer bzw. ihre Plattenfirma den Weg: Lasst uns einfach noch jeden möglichen Cent aus den Fans herauspressen. Wer weiß, wann die Nachfrage nachlässt.

Das ist etwas, das mich schon auch ein bisschen abstößt. Nicht, dass ich die frei verfügbaren Schnipsel von ihr vermissen würde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich auch das neue Album nicht besonders mögen werde – also kann ich da auch verzichten. Mich nervt vor allem diese reichlich strikte Haltung in der Art: Bloß nichts abgeben! Das ist ein bisschen wie mit den besonders gut verdienenden Managern, die sich mit Millionen-Verdiensten immer noch ziemlich unterbezahlt fühlen und keine Minute daran denken, dass nur eine winzigster Bruchteil ihres Geldes auch für Dinge eingesetzt werden könnte, die weitaus mehr Menschen etwas ermöglichen.

Natürlich gibt es immer auch andere. Auch in der Pop-Musik. Und mir geht es auch gar nicht darum, dass Helene Fischer jetzt alle ihre Musik verschenken soll (bloß nicht – dann wäre sie womöglich noch omnipräsenter!). Ich find's nur reichlich absurd, wie sehr sie von aller Welt in den Himmel gelobt wird für das, was sie leistet ... und ich seh gar nicht so richtig, was das sein soll. Aber eben: Dafür ist mir Helene Fischer auch viel zu egal, als dass ich detailliert verfolgen würde, wo sie sich engagiert und was sie alles dafür tut, um unser Leben ein Stück schöner zu machen. Für mich gehören die Auftritte beim DFB-Pokal oder GNTM sowie ihr neues Album jedenfalls nicht dazu.