Samstag, 6. Februar 2016

ZAYN: Pillowtalk



Das Konzept Boyband hat seine besten Tage irgendwie hinter sich. Zumindest wenn man sich anschaut mit welcher Euphorie in den 90ern Take That, die Backstreet Boys oder sogar noch N'Sync gefeiert wurden. In den 2010ern haben wir als international ernsthaft wahrgenommene Projekte gerade mal noch OneDirection und natürlich die australischen Five Seconds of Summer.

Sicher, auch heute noch kreischen die Mädels zwischen 12 und 16 und fallen in Ohnmacht. Stadien kriegen die Jungs allemal noch voll. Nur die Zielgruppe ist reichlich schmaler geworden. Denn in den Hochzeiten kauften auch Ältere die CDs. Und sogar im Normalradio waren die Songs zu hören. Das kommt heute ja eher selten bis gar nicht vor.

So könnte man eigentlich auch denken, wenn sich da aus so einer Boy-Runde ein Einzelkämpfer abseilt und auf solo macht, dann bedeutet das gar nichts. Ist aber offenbar falsch. Denn gerade jetzt beweist uns Zayn Malik, dass es auch komplett anders geht.

Bis ins Frühjahr letzten Jahres gehörte er zu den Fünfen von OneDirection. Die waren 2010 im britischen Fernsehen zusammengecastet worden und mühten sich danach ordentlich ab, auch in Rest-Europa zu landen. Im Album-Bereich gelang das mitunter auch, wenngleich in Deutschland zum Beispiel die Nummer 1 immer noch ein unerreichtes Ziel ist. Auf dem Markt der Tageshits sah es dagegen ordentlich mies aus. Keine eingängigen Melodien, kein mitreißender Sommerhit, mittelmäßige Konfektionsware von der Stange und das einzige Verkaufsargument blieb süße Jugendlichkeit und MTV-Gossip.

Vielleicht war das dem Sänger und Performer Zayn Malik zu wenig. Die bei seinem Ausstieg herbeizitierte Suche nach etwas mehr Privatleben und Ruhe kann der Grund jedenfalls nicht gewesen sein, dann Malik meldet sich nun mit einem Solowerk zurück. Als Vorgeschmack darauf ist seit einer Woche Pillowtalk auf dem Markt, von ihm mitgeschrieben und deshalb vermutlich auch näher an dem dran, was er eigentlich machen will.

Und Pillowtalk knallt tatsächlich rein. Auf Anhieb Nummer 1 in Großbritannien und Australien, und in Deutschland Platz 5 – besser als alles was OneDirection je erreicht hat.

Musikalisch wurde die sanfte Boygroup-Gefälligkeit ausgetauscht gegen elektronisch-abrupte Effekte. Der neue Justin Bieber scheint hier Pate gestanden zu haben. Paradies und Kriegsschauplatz werden textlich direkt nebeneinander herbeibemüht und die Beschreibung der körperlichen Lust ist schon reichlich explizit:
So we'll piss off the neighbours in the place that feels the tears
.... A place that is so dirty and raw. Be in the bed all day,
Fucking you, and fighting on

Teenie-Stars dürfen so etwas nicht singen. Und Teenie-Stars inszenieren sich auch nicht durch ein Video mit Kaleidoskop-Effekten und elektronischen Verzerrungen.



Eines kann man Zayne Malik also definitiv nicht absprechen: Hier ist jemand ordentlich bemüht, ein Statement abzuliefern. Ein komplett anderes Bild von sich zu zeichnen. Imagewechsel komplett.

Das kann man gut und gern auch als reichlich über's Ziel hinausgeschossen wahrnehmen. Die Bildsprache zwischen Kitsch, Sex und alberner Solarisation ist mir insgesamt tatsächlich reichlich zufällig und effekthaschend. Trotzdem ist das ein wunderbarer Gegenpart zu der im letzten Jahr massiv in Szene gesetzten Durchschnittlichkeit und Normalität.
Gleichzeitig machen die Schredder-Effekte auch klar: Hier geht es nicht nur um einen gutaussehenden, jungen Mann, der zufällig auch noch ein bisschen Singen kann. Makellose, perfekt inszenierte Schönheit ist so Boygroup! – Hier darf man ruhig mal hinter die Fassade schauen und einzelne Splitter betrachten. Dass auch hier jedes Detail inszeniert ist, fällt dabei gar nicht so sehr ins Gewicht. Diese Künstlichkeit gibt nämlich zu erkennen: ich bin nicht irgendein Traumabziehbild, das Wahrhaftigkeit vorgaukelt. Hier geht es um hochpolierte Produktionen, um bewusste Setzungen und Entscheidungen, die einen Gegenpol zur (Ideal-)Realität bilden. Die in ihrer Unnatürlichkeit vielleicht sogar mal verunsichern. Oder mich eben auch fragend allein lassen.

Das ist irgendwie schon schön. Auch im ästhetischen Sinne.

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