Freitag, 16. Januar 2015

Clean Bandit & Jess Glynne: Real Love

Sind Clean Bandit jetzt also die neuen großen Stars?

Innerhalb von knapp einem Jahr der zweite richtig durchschlagende Erfolg. Und der klingt dann auch fast genauso wie der erste Rather Be. Ist nur noch mehr Richtung Pop ... ähm nee, eigentlich sogar Disko im Stil der 90er gedreht. Dazu die Streicher – und schon fühle ich mich zurückgeworfen in ein anderes Jahrzehnt. Saturday night Fever meets Robin S.

Das ist richtig schön. Wenn man dieses überschwengliche Gute-Laune-Gefühl mag. Ich finds gut. Und trotzdem ärgert mich Real Love. Wobei ich zugeben muss, dass es weniger mit dem Song zu tun hat, auch nicht mit der Band an sich. Die ist über weite Strecken sogar sehr konsequent und aufrichtig.

Mich nervt vor allem, dass Clean Bandit von nahezu allen gemocht und gelobt werden.
Ist das der neue Konsens-Pop?

Und was nervt mich eigentlich an Dingen, die allgemeingültig sind, die auf ganz breiter Fläche überzeugen?
Es ist diese Ahnung, dass breite Zustimmung immer auch mit Kompromissen und Zugeständnissen zu tun hat. Zumindest im künstlerischen Bereich.

Da haben sich also vier junge Menschen zusammengefunden und produzieren Dinge, die so durchschnittlich sind, dass sie der Mehrheit gefallen können: Den Musikjournalisten genauso wie den kaufenden und konsumierenden Menschen, den etwas älteren Hochkultur-Liebhabern ebenso wie den jungen Wochenendpartytouristen vom Lande, dem Charts-orientierten Teenie wie dem eher mit Indie liebäugelnden Szene-Geek. Das sind sehr viele verschiedene Ansprüche, die sich bei Clean Bandit irgendwie wiederfinden – kleinster gemeinsamer Nenner sozusagen.

Auch das muss alles nicht schlimm sein. Over The Rainbow war auch so ein Song – und trotz millionenfacher Sympathie ist die Interpretation von Israel IZ Kamakawiwo'ole einmalig.

Das ist der Punkt, den ich bei Clean Bandit bislang vermisse. Ob nun Rather Be oder Real Love – irgendwie sind mir diese Produktionen zu beliebig. Was war nochmal die Eigenheit der Band?

Ja richtig, sie haben eine klassische Musikausbildung und lassen diese ihre Pop-Produktionen beeinflussen. Ich höre also Violinen, Cello, Piano, ich sehe wie die vier selbstvergessen an ihren Instrumenten musizieren – das hat schon etwas von großem Sinfoniekonzert.
In der Produktion auf CD oder als mp3 verschwinden diese Einflüsse aber fast völlig. Die Violinen und Celli müssen dem Synthesizer weichen, der Disco-Beat bestimmt die Struktur des Liedes.

Wenn das alles also einer großen Mehrheit gefällt, dann ist unsere Gesellschaft eine, die zwar ihre Traditionen (und Werte) kennt, aber diese ganz stark dem Bedürfnis nach mehr und anderem Vergnügen und Unterhaltung unterordnet. Oder weniger negativ formuliert: Wir können so ausgelassen feiern, weil wir mit unserer Vergangenheit ein solides Fundament haben, dass auch die ganz anders funktionierende aktuelle Zeit gut trägt.

Inwieweit dabei die Traditionen (in diesem Fall die klassische Orchestermusik) noch eine Rolle spielen oder tatsächlich Einfluss aufs heute haben ist eine ganz andere Frage. Wenn ich mir Produktionen von Ólafur Arnalds, Nils Frahm oder (ja – immer noch und immer wieder) Brandt Brauer Frick anhöre, dann weiß ich, dass es noch sehr viel mehr aus unserem kulturellen Erbe in die breite Popkultur mitzunehmen gibt. Und ich erlebe wunderbar konsequente, vielleicht sogar eigensinnige Umgangsweisen mit Musik. Natürlich ist genau das der Grund, warum die Genannten eben nicht in den Charts ganz oben stehen. Solch eher ungewöhnliche Kompositionen passen nicht in jede Musik-Vorliebe.

Aber zurück zu Real Love und Clean Bandit: Wenn ich die Allgemeingültigkeit von ihren Produktionen als das große Plus ansehe – man muss ja nicht immer gleich mit dem Normcore-Label kommen – und dazu das Video addiere, dann lande ich bei einer fröhlichen Feier der Vielfalt. Egal wer da wie aussieht, lebt oder fühlt, das was uns bindet ist die Sehnsucht nach Zweisamkeit und Real Love. Das ist doch eine schöne Grundlage auf der man miteinander leben kann.




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