Freitag, 30. Mai 2014

Calvin Harris: Summer

Im Grunde halte ich Calvin Harris für einen der begabteren Produzenten unserer Zeit. Das hat ein wenig damit zu tun, wie er vor nunmehr sieben Jahren die Partyszene betreten hat. Sein Sound war aufregend anders, zu der Zeit auch noch ordentlich beeinflusst vom 80er Sound: Naive Kinderdisco vielleicht. Auf alle Fälle aber voller Lebensfreude.

Dann wurde er in seiner Heimat und dem britischen Königreich zum Star, durfte mit (schlimmen) Mainstream-Stars zusammenarbeiten und verlor irgendwie seine Unschuldigkeit.

Nach sechs Nr.1-Hits in Großbritannien hat Calvin Harris immer noch Spaß. Aber das was er uns jetzt als Party präsentiert ist eine Mischung aus Geschwindigkeit, Sexismus und Champagner-Pool-Gesellschaft. The Fast & Furious Teil 158. Und so wenig überraschend ist das Ganze dann auch. Fast möchte ich schon sagen: belanglos.

Nun träumen deutsche Musikkäufer offenbar in der Mehrheit wirklich von der Frau in Unterwäsche und einem schnellen Auto. Champagner und Pool sind ohnehin ein beliebtes Motiv. In Zeiten größer werdender sozialer Unterschiede versucht natürlich jeder ein Stück vom vermeintlichen Luxus abzubekommen. Und die ihn genießen können – so wie Calvin Harris – die protzen eben gern auch damit. Allerdings: jeden Tag Champagner und Unterwäschemodells im Bett sind auch langweilig. Weil es in der abgeschotteten Welt der Erfolgreichen den Gegenpart nicht mehr gibt. Woher soll ich denn am Ende wissen, dass das in meinem Glas wirklich Champagner ist, wenn ich nicht mehr weiß wie normale Brause schmeckt?

Und so geht es dann auch musikalisch immer brachialer zur Sache. In Zeiten von AVICII steht der Breitwand-Stadion-Dance-Sound für die totale Party. Das knallt dir an den Kopf und haut dir das Hirn weg. Das ist eine Möglichkeit, die Wochenendparty zu nutzen: Einfach mal den ganzen Scheiss vergessen und sorglos feiern. Je schneller umso besser. Eine krasse (Leistungs-)Gesellschaft erzeugt eben auch eine krasse Freizeitkultur. Dieses Bedürfnis zu bedienen ist nicht verwerflich. Vielleicht künstlerisch etwas oberflächlich, zumal es lediglich die Auswirkungen erkennt und nach den Ursachen gar nicht schaut – aber was soll’s, das machen ganz viele Menschen in ihren Jobs jeden Tag genauso.



Krude wird für mich die ganze Geschichte, wenn der Stadionsound der Massenabspeisung dann kombiniert wird mit oben beschriebener Luxuswelt derjenigen, die es geschafft haben. Da muss das Luxusleben offenbar schon ganz schön dumpf gemacht haben, wenn nichts anderes mich mehr aus meiner drogenumnebelten Wahrnehmung rausreißt und zum Feiern animiert.

Nun schafft es Calvin Harris tatsächlich, den Brachial-Eurodisco-Sound immer wieder mal aufzubrechen. Da ist auch mal ein zartes Vocal-Echo eingebaut, da nimmt sich der Beat stellenweise zurück und es tauchen Momente auf, die fast schon poetisch wirken. Dazu der brüchige Gesang von Calvin Harris himself, der schon im Tonfall von der Vergänglichkeit der schönen Momente erzählt. Und plötzlich denke ich, Summer könnte wirklich ein hübsches Lied sein. Eine Geschichte über die Vergänglichkeit von Liebe oder darüber, dass die schönen Momente nicht ewig dauern und deshalb um so erlebenswerter sind. Oder auch über die Stärke von Emotionen selbst ein Jahr danach.

Leider macht der Text das Ganze ziemlich schnell zu einer der üblichen Stories: Du hast mich belogen (du hast mich betrogen) und deshalb bin ich nun allein. – Also ist Summer dann doch vor allem erstmal ein Ego-Trip. Wir hatten einen schönen Sommer, aber du hast alles kaputt gemacht. Kein bisschen Einsicht, dass zu solchen Ereignissen immer zwei gehören. Bevor ein Mensch einen anderen anlügt muss schon einiges an Kommunikation ganz schön schief gelaufen sein.

Und so bleibt Summer die Party der Einsamen und Uneinsichtigen. Oder auch der Sich-Selbst-Bemitleidenden. Mehr Kick und mehr Geschwindigkeit, mehr Sex und mehr Drogen machen nicht glücklicher – auch wenn das der Rausch manchmal glauben lässt. Sie überdecken höchstens die Verletzungen und unperfekten Dinge des Lebens. Für diejenigen, die nicht an eine Zukunft glauben mag das dann schon genug sein.




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