Freitag, 28. Februar 2014

Katy Perry Ft. Juicy J: Dark Horse


Wenn ich bei der letzten Beschäftigung mit ihr feststellen konnte: Katy Perry kann noch Hits platzieren, dann kann ich dem heute mit gutem Gewissen noch hinzufügen: und sie kann das sogar überzeugend. Denn das, was sie mit Dark Horse hinlegt, ist nicht nur ein lupenreiner Popsong, sondern führt das Ganze in völliger Perfektion vor. Allein die Art, wie die Veröffentlichung des Songs inszeniert wurde, ist dramaturgisch ein Meisterstück.

Mit Erscheinen des Albums Prism gelangte Dark Horse erstmals in die Songcharts und erheischte bereits Aufmerksamkeit. Die Rosinenpicker hatten sich ziemlich schnell darauf geeinigt, dass dieser Titel der spannendste, aufregendste oder sonstwie interessanteste des Albums sei. Zuvor stand der Titel schon in einer Pepsi-Kampagne zur Abstimmung und wurde als erster Promosong des Albums veröffenticht. Dann erfolgte im Dezember in den USA die Veröffentlichung als Single, was auch hierzulande das Interesse an dem Titel wieder steigen ließ. Ein Auftritt bei The Voice of Germany trug ein Übriges bei. Dann ein Auftritt bei den Grammy Awards und bei den BRITs – und die Pop-Addictives drehten durch.

Um Längen hinhaltender die Veröffentlichung des Videos: Katy Perry kündigt an, dass es ein Video geben wird, Katy Perry verkündet, dass es bald ein Video geben wird, Juicy J lässt verlauten, dass gedreht wird und alles sei “A class”, Katy Perry veröffentlicht erste Bilder ... Soziale Medien immer schön mit dabei – nach der 20. Ankündigung kann ich es wirklich nicht erwarten, dieses Video endlich zu sehen.

Solch eine Taktik birgt natürlich auch Gefahren in sich: Die Spannung ist riesig und wenn jetzt das Video daneben ist, dann wär’ der Schaden dramatisch. Doch bei Katy Perry sind Könner am Werk. Das Video ist derartig künstlich und gestylt, da wird alles drumherum langweilig blass. Womit soll sich dieser Bilderfilm noch vergleichen?



Die Qualität der Produktion wird deutlich, wenn ich ein wenig an der gelackten Oberfläche kratze. Dann nämlich geht die Zitatenhölle los: Ägyptische Geschichte, Style-Geschichte, Pop-Geschichte … die Verweise und weitergesponnenen Themen überlagern sich, gehen Symbiosen ein und bilden ein Netz mit völlig neuen Kombinationen. Diverse Ägyptologen bescheinigen fundierte Kenntnisse ägyptischer Zeichensprache und Kultur, andere sehen eine Fortsetzung von Katy Perry’s Video E.T.. Man könnte jetzt auch locker noch ein bisschen dran rum interpretieren, warum das Ganze nach Memphis verlegt wurde. Ja richtig, Rap-Kolaborateur Juicy J kommt dorther – zumindest aus dem amerikanischen in Tennessee. Design-Freaks werden aber sicher auch die italienische Möbelfirma gleichen Namens im Kopf haben, die gut und gern das Video hätte ausstatten können. Und dann können wir uns natürlich auch mit Schwung in die Pop-Tradition der ägyptophilen Songs und Videos stürzen von Walk Like An Egyptian der Bangles aus dem Jahr 1986 bis hin zu Michael Jackson’s Remember the Time von 1991 (mit Eddie Murphy und Iman als Darsteller). Und alles das macht ungemeinen Spaß, ist völlig belanglos und gleichzeitig doch enorm inhaltsschwer. Genau so wie es bunter Pop im jahr 2014 eigentlich immer machen sollte.

Warum das nicht so ist? Nun, da sind vermutlich längere Abhandlungen nötig. Die nicht mal Freude machen geschrieben zu werden. Also bleib’ ich noch einen Moment länger bei Katy Perry und freu mich darüber, dass sie es nicht nur in der Inszenierung so schön versteht aus dem Vorhandenen zu schöpfen und das Vorgefundene ein Stückchen weiterzutreiben oder für sich neu zu interpretieren. Auch musikalisch ist Dark Horse eine überraschende Melange aus elektronisch-reduzierten Sounds, HipHop und natürlich Pop. In den digitalen Nachschalgewerken wird gern von einer Art Trap-Pop geschrieben – gut, soll es so heißen. Das ist mir in diesem Fall einerlei.

Hübsch ist, dass bei all der ausgeklügelten Produktion und visuellen Inszenierung sogar der Live-Auftritt mithalten kann. Zumindest hat Katy Perry zu den BRIT Awards eine Performance geboten, die selbst das offizielle Video noch überholt. Da werden die ägyptischen Settings frech mit Mustern angereichert, die auch der Inka-Kultur entstammen könnten, das Ganze wird in New Rave-Farben getaucht um schließlich in einer Strobo-Laser-Show zerhackt zu werden. Wenn das nicht MashUp3.0 ist ...




Freitag, 21. Februar 2014

MR PROBZ: Waves



Jetzt muss ich mich schon ganz schön zusammenreißen um den belanglosen Schubidu-Sound nicht wirklich zu hassen. Das wirklich Nervende ist vor allem, dass derzeit gerademal alles durch den Mixwolf gedreht wird. Egal wo es herkommt und was es ist. Beliebig.

Jüngstes Beispiel also MR PROBZ und sein Waves im Robin Schulz Mix.

Was zunächst ganz hübsch daherkommt, beinahe zum Mitwippen animiert - das ist ja so ein bisschen das Kennzeichen dieser Welle: unscheinbar gefällig plätschert es mich an – das erweist sich spätestens beim dritten Hören als der 117. Aufguss desselben Themas: Klingklanggartenkarussell für Menschen die schon alles haben. Ok – hier ist es mal kein Saxofon, sondern eine nette Akustikgitarre, aber das ändert am Dudelfaktor nicht viel.

Dazu ein Video, dass die Neohippiemasche kombiniert mit Eurodance-Konsumluxus-Klischees und einer spießig-romantischen Geschichte samt aller möglichen Billigromanheftstereotype: Er und sie zusammen in Mexiko, er immer ein bisschen verträumt, sie will nur Spaß, fühlt sich eingeengt und macht einen drauf – mit anderen Typen natürlich – er kriegt’s nicht gebacken und strandet auf der Insel der Melancholie, wo er aber – ganz Mann – sich von Kokosnüssen zu ernähren weiß und auch sonst die schöne Landschaft mit bunten Papageien wenigstens ganz passend zu seiner Stimmungslage findet.



Wenn's ohne diese Bildinszenierung vielleicht noch ganz prima unter belanglos ungefährlich hätte abgetan werden können, spätestens nach so einer Geschichte ist es wirklich vorbei mit wohlgefälligem Drüberwegsehen. Das was hier geboten wird ist die schlimmste Gesellschaftsversion des Jahres: Der deutsche Wohlstandsnachwuchs haut sich die Rübe zu mit billigem Sound und träumt sich weg ins Aussteigerleben. Immer schön abgesichert natürlich und hübsch Urlaubskataloginszeniert. Soll heißen: bloss nicht zu echt. Von da aus lässt sich wunderbar über die schlechte Welt jammern und an vormals glückliche Zeiten denken. Ach ach – was ist da nur schief gelaufen in meinem Leben? Hab’ ich nicht eigentlich alles richtig gemacht? Ich hab’ sie doch wirklich geliebt. Bin ich zu gut für diese Welt?

Nun muss man natürlich dazu sagen, dass Mr Probz eine Vorlage zu dieser Weltschmerzhymne geliefert hat, die kaum besser passen könnte. Seine Sterbensfantasien (oder Fiebervisionen?) triefen bereits vor Selbstmitleid und passiver Traurigkeit. Da hat einer tatsächlich schon aufgegeben und sich der Schlechtheit der Welt ergeben (oder mit ihr arrangiert)? Da kann einer nur noch sein Leiden beschreiben, nicht aber, was ihn da so genau fertig macht. Es ist eher so ein unbestimmtes, aber stets vorhandenes Gefühl. Zu klein und schwach für das Getriebe dieser Welt.

Das alles eingepackt in lieblichen Violinensound hat für mich nicht viel mit Auseinandersetzung zu tun. Das ist eher wohliges Baden in Breitwandgefühlssauce. Da hilft mir auch nicht, dass der harte Rapper stimmlich ganz ganz sacht und gebrochen singt. Das ist dann alles doch zu viel Hollywood drumrum.



So schnappt sich also der DJ, der zuvor schon den Antidrogenrapsong Willst du hübsch auf Partylänge getrimmt hat, dieser DJ findet nun also ein willfähriges Opfer, muss gar nicht viel dran rumdrehen an der Geschichte oder irgendwelchen Ecken und Kanten und baut daraus den nächsten Werbeunterbrechungssong. Ach nee – war ja der hübsche Sonnenuntergangsmitwipphit zwischen zwei Aperol-Sprizz. Fehlt eigentlich nur noch Chris Rea, der noch ein bisschen mitmischt. Wo steckt der nur? - Irgendwie schade, dass der nur noch zu Weihnachten ausgepackt wird.

Ich geh’ dann mal dahin, wo mir Menschen wirklich was zu erzählen haben.



Freitag, 14. Februar 2014

REVOLVERHELD: Ich lass für dich das Licht an



Wenn eine deutsche Band es schafft, überzeugende Liebeslieder zu schreiben und dann auch noch genauso überzeugend aufzunehmen, ohne dabei in den kompletten Kitschtopf zu fallen, dann sind das wahrscheinlich REVOLVERHELD. Na gut, Jupiter Jones haben da auch schon ordentlich Maßstäbe gesetzt. Aber die habe ich irgendwie in den letzten beiden Jahren doch nicht mehr so wahrgenommen.

Ich lass für dich das Licht an berührt mich als erstes durch den Text. Das was Johannes Strate da aufzählt ist ein bisschen die Fortführung von der Idee: “Du bist das Wasser ich bin der Fisch“– allerdings viel viel uneitler. Was ist eigentlich wichtig, außer dem geliebten Menschen? – Diese Bedingungslosigkeit ergreift mich wirklich. Ja – das ist Hingabe. Das ist Liebe.

Das ist natürlich auch ordentlich romantisch und vielleicht sogar ein bisschen weltfremd – würde ich wirklich meine Plattensammlung verbrennen? In der zunächst ganz sparsamen Instrumentierung, in der Reduzierung einfach auf dieses Geständnis und in der ziemlich ungeschminkten Art, wie Johannes Strate das vorträgt – in dieser Interpretation glaub’ ich trotzdem dran. Für diesen einen Augenblick ganz bestimmt. Wer so ehrlich ist, sich so gar nicht versteckt, sich traut an die eigenen Grenzen zu gehen, den muss man doch erhören, oder? Wenn nicht diese Liebe Berge versetzen kann – was dann?

Und ich höre wie dem Sänger beinahe die Stimme wegbleibt, ich hab’ sogar richtig Angst, dass er den Ton vielleicht nicht 100% trifft – egal, eigentlich kann es gar nicht schief gehen. Tut es auch nicht. Und deshalb ist dann auch der Heiratsantrag vielleicht nicht perfekt inszeniert in Worten ausgedrückt, aber eben aufrichtig und ehrlich und schön.



Natürlich sind solche Heiratsanträge in der Öffentlichkeit echt eine schwierige Nummer. Zuviele Bachelor- und Herz-sucht-Dich-TV-Shows haben aus diesem eigentlich intimen und privaten Moment schon alles rausgepresst, was an Gefühlsduselei nur geht. Ich will das gar nicht mehr mit 1.000 000 Menschen gleichzeitig verfolgen wie zwei sich entscheiden, ewig miteinander zu leben. Die überbordende Heiratswerbemaschinerie auf allen Kanälen und in allen Zeitungen scheint die komplette Gesellschaft derzeit in eine Art wahnhaften Rausch zu peitschen. Da krieg ich angesichts von millionenfachem Hochzeitsglück und Brautpaaren des Jahres fast schon das Kotzen. Was wollen Menschen im Jahr 2013 eigentlich damit beweisen, dass sie wie bescheuert und vor allem recht häufig völlig überstürzt heiraten? Die Ehe als der letzte Zufluchtsort der Sicherheit? (Oder wahlweise auch der erste, denn dann geht’s ja alles viel leichter mit Kredit und Hausnestbau und und und...) Deshalb auch der große politische Streit darüber, wer nun ab wann eine richtige Familie ist und warum Paare ohne den Zettel weniger wert sind, nicht alle Vorteile genießen dürfen, die Verheiratete automatisch erhalten...

Trotz dieser ganzen Fragezeichen – und bei mir ja sogar eher Ablehnung der neokonservativen Heiratssucht – trotz aller Kritik an diesem Moment, ist das Video zu Ich lass für dich das Licht an der wahrscheinlich schönst Liebesschnulzenfilm seit Jahren. Ich sitz’ da, heule vor lauter Gefühlsquatsch, ein bisschen peinlich ist das Ganze natürlich auch, und kann nicht anders. – Das muss ein Video oder ein Lied erstmal so hinkriegen.

Dass das nicht einfach ist und keineswegs immer funktioniert, lässt sich an Revolverheld selber ausprobieren. Ihr Vorgänger Das kann uns keiner nehmen ist für mich so ein Beispiel. Da komme ich mit den seltsam biederen Blicken auf das Leben überhaupt nicht zurecht. Da ist mir der ganze Verkleidungs- und Inszenierungszirkus zu viel, zu unecht, der hymnenhafte Refrain ist mir nur peinlich …

Gut – lass ich die Vorgängersingle einfach das sein was sie ist: vorbei und gar nicht mehr so relevant. Ich lass für dich das Licht an versöhnt mich tatsächlich. Und irgendwie wünsch’ ich mir, dass die Jungs von Revolverheld künftig noch viel mehr und konsequenter auf Club-Act machen und die großen Konzerthallen und Stadien meiden. Lieber kleine private Geburtstagspartygeschichten mit individuellen und subjektiven Fehlurteilen als pompöse Lebensrückschauen mit Allgemeingültigkeitsplätzen. Das ist wahrscheinlich schwieriger zu machen, vor allem auf Dauer, aber irgendwie scheint's mir ehrlicher. Und schöner. Bei Ich lass für dich das Licht an hat's ja schonmal richtig gut funktioniert.





Freitag, 7. Februar 2014

MARTERIA: OMG!

Jetzt entwickelt er sich also zum Everybody’s Darling und tatsächlichen Star. Kurz bevor sein Album Zum Glück in die Zukunft II erscheint, sind alle völlig am Durchdrehen und reißen sich die kleinen Vorab-Häppchen förmlich gegenseitig aus der Hand. Kids (2 Finger an den Kopf) ist tatsächlich ein dauerhafter Mainstream-Erfolg geworden und – wer hätte das gedacht – schafft es trotzdem, Menschen zu verwirren und zu erschrecken. Ich hab jedenfalls ordentlich gestaunt und mich am Ende riesig gefreut, dass eine ganze Ansammlung von mittelalten Spießern überhaupt nicht wusste, wie sie mit diesem Text jetzt umgehen soll?

Da lässt sich also recht simpel schlussfolgern, dass OMG! noch mehr Unsicherheiten verbreiten wird: Macht der sich da jetzt wirklich über Religion und Glaube lustig? Auweia!

Natürlich hat sich die Kirche (vor allem die katholische) in den letzten Monaten ordentlich in die Schusslinie gebracht mit allerlei befragenswerten Statements und Skandalen. Dass daraufhin die Ergebnisse der Vatikan-Umfrage nicht besonders euphorisch ausfallen, ist eigentlich nur das I-Tüpfelchen. Wenn eine Mehrheit der Gläubigen gepredigte Moralvorstellungen und –regeln als lebensfern empfindet, dann gerät dort vermutlich etwas in Bewegung. MARTERIA packt das Ganze hier in einen flotten Hit.



Im Text wird eine Menge aufgezählt, was nicht stimmt. Da wird aber auch die Sehnsucht formuliert nach so etwas wie Werten und Orientierung. Das mit dem Himmel klingt trotz aller Ironie ja doch irgendwie auch verlockend. Diese Mehrdeutigkeit ist ziemlich clever.

Musikalisch schafft es MARTERIA einmal mehr sich zwar treu zu bleiben, aber trotzdem anders zu klingen als mit seinen letzten Tracks. Allein dass er es schafft ein Saxophon so einzusetzen, dass es nicht das große Entsetzen auslöst, find’ ich großartig. Ein funky Loop gepaart mit Sprechgesang und ein paar elektronischen Versatzstücken – ich mag diese Mischung und würd’ mir wünschen ein paar mehr Produzenten hätten die Coolness zu solchen Kombinationen. Und damit wär’ ich schon bei einem Trio, ohne welches MARTERIA vermutlich nicht das wäre, was er jetzt ist. Sehr wesentlich für den Erfolg seiner Tracks ist nämlich die Produktion, welche The Krauts besorgten. Seit mittlerweile gut acht Jahren liefern sie infektiöse Beats und Tracks ab – in regelmäßigen Abständen auch mit ordentlich kommerziellem Erfolg. Und beweisen, dass Umsätze nicht zwangsläufig einfallslos machen müssen.


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