Freitag, 20. September 2013

Olly Murs: Dear Darlin'



Da musste ich mir doch soeben wirklich anhören, dass ZEDD ein unglaublich scharfsinniger und ungewöhnlicher Produzent sei. Das, was er mache, das klinge zwar wie Dancemusic, aber das wäre komplett etwas anderes. Schon allein die Texte … Glücklicherweise war ich schon genug betrunken um mich mit dem halbwüchsigen, jungen Mann nicht komplett in die Haare zu kriegen. Mag ja sein, dass einer Eurodance geil findet, aber deshalb so jemanden wie ZEDD gleich intellektuell zu überhöhen und für einmalig zu erklären, das führt doch wohl wirklich zu weit, oder?

Und heute sitze ich hier, lasse mir die aktuelle Single von Olly Murs um die Ohren hauen, bin einigermaßen fasziniert von der Leichtigkeit mit der dieser Song daherkommt und erwische mich dabei wie ich denke: Dieser Olly Murs, der schafft es ja wirklich Popmusik aus dieser Langweiler-Ecke rauszuholen …

Hoppla, großes Déja vu – bin ich jetzt eigentlich nicht viel besser als dieser gerade mal 20jährige, der in seiner überschwänglichen Begeisterung nicht mehr recht in der Lage ist, tatsächliche Unterschiede wahrzunehmen?

Also: Dear Darlin' ist ein mit Bedacht produziertes Stückchen Mainstream-Pop. Ganz bewusst so aufgenommen und abgemischt, dass es möglichst viele Musikkaufende erreicht und garantiert viel Umsatz macht. Absolut korrekt. Und damit unterscheidet es sich erstmal nicht von einer Menge anderem Zeug, was sich in den Charts aufhält. Chartsmusik ist ja schon seit Langem zu einem schlimmen Schimpfwort geworden.

Aber ich möchte Dear Darlin' an dieser Stelle tatsächlich etwas mehr Potenzial bescheinigen, zu einem Pop-Klassiker werden zu können. Also ein Charthit, der nicht zwangsläufig morgen schon vergessen sein muss. Auf schnellen Verkauf produziert – und dann in die Tonne gekloppt. Und warum denke ich das?

Zunächst mal erzählt Dear Darlin' eine ganz allgemeingültige Geschichte. Da haben sich zwei getrennt, irgendwas lief schief in der Beziehung, und nun ist sie da die Reue, der Schmerz, die Trauer. Der/die eine setzt sich hin und schreibt einen Brief oder einen Song. Jedenfalls etwas das Arbeit macht und mehr als 85 Zeichen benötigt. Ganz uncool also ein undigitales Medium. Und mit diesem wird dann tatsächlich ganz ehrlich beschrieben, wie es gerade innen drin aussieht. Und da ist nichts mehr von Stolz, keine Vorwürfe, auch kein Zweifel an der Reinheit dieser Gefühle. Da bereut wirklich jemand. Das ist ja in der allgemeinen Hipness und Selbstbezogenheit unserer Tage ein Zustand, der kaum noch vorkommt. Das ist an sich ja schon ordenltich Oldschool.

Das Ganze ist gepackt in eine Menge Geigen, Echo, Pianoklänge und sogar Glockengeläut. Da wird sich ganz breit im Gefühl gesuhlt. Komischerweise funktioniert das sogar mit dem unterlegten Rhythmus. Dieser Titel ist gar nicht die supertraurige Ballade. Das ist eine Hymne – eine Hymne an die Verlorene? Eine Hoffnung, dass diese Zeilen ankommen und alles was gewesen war, ungeschehen machen? Ein Stück Gewissheit über das wirklich Wichtige? Ein Beschluss für die Zukunft?

Das könnte alles mitschwingen in diesem Titel. Und ein bisschen ist es wie bei Romeo und Julia oder Edward und Bella – man kann super mittrauern und mitleiden und sich erinnert fühlen oder sogar genau in der gleichen Situation sein. Ein hübsches verzuckertes Pop-Märchen.

Die Stärke von Olly Murs besteht darin, dieses doch bekannte und schnöde Märchen so überzeugend zu erzählen und zu singen, dass es genügend Authentizität besitzt um unsere Gefühle anzusprechen. Er singt nicht einfach schön, es ist zu hören, dass er eben auch am Ende ist. Sogar stimmlich. Das sind nicht nur saubere Töne. Da könnte jetzt auch gleich die Stimme versagen. Da ist bei aller technischer Produktionsraffinesse noch ein wirkliches Stückchen Mensch drin. Ich glaube, das genau unterscheidet den Song von anderen. Es ist eben nicht nur ein glatt produzierter Pop-Titel. Es hat diesen winzigen Schuss von Persönlichkeit, um glaubhaft eine Geschichte zu erzählen. Oder ein Gefühl zu vermitteln. Und deshalb könnte der Titel auch in fünf oder zehn Jahren noch genauso funktionieren.







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