Freitag, 4. Januar 2013

will.i.am & Britney Spears: Scream & Shout



Ich weiß schon: Nach diesem Text hier werde ich Haue kriegen, meine Glaubwürdigkeit als Meckerer verlieren und sowieso eine Menge Abonnenten los sein. Aber trotzdem: ich finde dieses Stück echt genial. – Ja klar, es ist der totale Trash. Was will man auch erwarten wenn sich Britney Spears mit dem Obermacker der Black Eyed Peas Monsieur will.i.am zusammen tut. Das hier ist zutiefst affirmative Popmusik – sie will nichts weiter als Leute sinnlos in die Extase des Vergessens treiben. Kein Alltag, kein bisschen Lebensrealität – reine Flucht durch Konsum. Nicht mal mehr eine Spur des Aufbegehrens oder eines Ich, das sich formuliert. Das alles in einer Konsequenz, die mich umhaut. Deshalb find ich das Stück tatsächlich wegweisend. So klingt sie, die fiese Seite der Kulturindustrie im Jahr 2013.

Gepaart und geklaut wird da eine ganze Menge aus den Rezepten der letzten Jahre. Der Track beginnt mit einem tickenden Beat, ein Kommando „Bring The Action“ und es setzt die Elektroverzerrung ein: kalt und unbarmherzig. Um einen peitschenden Clubhit zu landen ist nichts weiter mehr nötig. Seit The Time von den Black Eyed Peas gabs eine ganze Reihe Mainstreamproduktionen, die genau darauf auch setzten. Gepaart wird das Ganze mit Britney’s Stimme – aber sie singt nicht. Britney Spears kann nicht singen – das wissen wir alle schon ewig – es ist also nur konsequent sie sprechen zu lassen. Und das bitte auch in völlig debilen Un-English: „When The Others In The Club You Gotta Turn The Shit Up – When We’re In The Club All Eyes On Us …“ Der Text bedient sich dabei ganz unverblümt dem Rezept von JLO feat. Pitbull, die mit On The Floor zuletzt den völligen Club-Hedonismus einmal um die Welt schickten. Dies hier ist die Fortsetzung. Zum Abschluss der Strophe setzt dann der Refrain-Chorus ein, der wahrhaftig doof ist. Ohohoh-Chöre gehören aber seit Taio Cruz und Chris Brown einfach dazu – das ist ein bisschen schade. Verzuckert wird das Ganze dann mit einem Selbstzitat, wenn sich die beiden nämlich in schönster Rapstar-Manier selbst präsentieren, will.i.am ganz cool als MC, Britney aber völlig die synthetische Pop-Prinzessin, die sich einfach selber sampelt und nochmal ihren Dancefloorfeger Gimme More zitiert: „It’s Britney Bitch.“ Coole Acts kriegen es derzeit ganz gut auf die Reihe, sich selbst zu bashen – sehr viele sind das allerdings nicht. Bei Britney könnt ich mir vorstellen, dass es ihr tatsächlich völlig egal ist, wer oder was sie ist. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.



Zu dem ganz deutlich nach Rezept gefertigten Sound gesellt sich ein Video, dass diese Gemachtheit, den Produktcharakter des Ganzen noch einmal durchzelebriert. Da stehen nicht zwei Popstars im Bild – nein – da ist gleich eine ganze Serie von Britney Bitches produziert worden. Immer wieder. In Make Up und Style völlig entindividualisiert sieht sie natürlich aus wie eine ziemlich hässliche Puppe bei Madame Tussaud. Das Kleid vom mittlerweile amerikanischen Label Herve Leger macht diesen Zirkus 1:1 mit. Das Label hat seine besten Tage ohnehin schon lange hinter sich – die Wiederbelebung vor ungefähr 5 Jahren fand nur statt, weil der Name irgendwie gut klang. Um wirkliche Mode, Raffinesse oder gar Schönheit ging’s da nicht. Verkaufen war das Ziel.

So wie sich Britney über ein schlechtes Label entindividualisieren lässt, so ist Mister will.i.am der Werbeträger für allerlei Blingbling und technischen Quatsch. Im Prinzip ist das Ganze eine Aneinanderreihung von Gegenständen, die kein Mensch braucht und die allesamt auch völlig peinlich sind, die aber durch die permanente Abbildung und inszenierung zu begehrten Lifestyle-Dingen werden. So direkt und ungeschminkt springt uns selten der Warenfetischismus entgegen. Und weil es so gar nichts anderes sagt als: Kauf mich!, ist als adäquate Geste nur liebevolle Umarmung möglich – bei gleichzeitigem Wissen, dass es sich hier doch nur um Quatsch handelt. Das Leben ist nicht so – wissen wir alle. Aber das ist für einen Moment vielleicht auch mal völlig egal. Und wer wenn nicht wir soll denn diesen leblosen Kapitalismus am Leben erhalten?

Zu nennen an dieser Stelle unbedingt noch der Produzent Lazy Jay mit bürgerlichem Namen Jef Martens oder auch bekannt unter seinem Pseudonym basto. Wieder mal ein Europäer, der sich aufmacht, die amerikanische Szenerie zu erobern. Der könnte zusammen mit DJ Ammo die Speerspitze der nächsten Produzentengeneration sein. Zumindest zeichnen sich beide durch unglaubliche Direktheit auf dem Dancefloor aus. Keine Angst vor platten Mitteln, darin aber doch recht kompromisslos. Mal warten, wie es da weiter geht.





1 Kommentar:

  1. In Sachen Video muss an dieser Stelle auch auf Diplos "Butter Theme" verwiesen werden. Da wird die künstliche Vervielfachung bis ins Abstruse weitergesteigert und endet in der völligen Dekoration - unglaublich.
    http://de.musicplayon.com/play?v=845760

    AntwortenLöschen