Freitag, 25. Januar 2013

Icona Pop Feat. Charli XCX: I Love It



Vor vielleicht fünf Jahren oder noch ein bisschen länger, da hieß das neue, heiße Ding Elektro-Punk. Im Jahr 2013 beweisen eine Band und ein Getränkekonzern, dass dieser Sound noch immer ordentlich Biss hat.

Icona Pop sind zwei Frauen aus Schweden. Das sind schon mal gute Voraussetzungen, denn Musik aus Schweden hat im vergangenen Jahr mit Lykke Li ordentlich für Begeisterung gesorgt. Im Bereich Dance haben schwedische Produzenten ohnehin einen guten Namen und immer noch trauern doch einige Menschen mächtig, dass sich die Swedish House Mafia getrennt hat.

Aber zurück zu Icona Pop. Ganz grob lässt sich der Sound natürlich auch in der Kategorie “Tanzboden” einsortieren, aber zwischen dem was die beiden Frauen machen und das was so von Loreen oder auch Steve Angello und Otto Knows kommt, liegen doch Welten. Icona Pop fallen vor allem dadurch auf, dass sie ziemlich frech und schnoddrig daherkommen. Das ist bei den Mainstream-Dancefloor-Produktionen ja eher zu suchen. Die beiden Damen scheißen erstmal auf gesellschaftliche Vorgaben: “I Don’t Care!” – Das ist dann auch der Schlachtruf ihres Hits I Love It: “I Crashed My Car Into A Bridge – I Love It!” Und in der Art wie sie es daherbrüllen, glaub’ ich ihnen das sogar.



Das sind sie also, die jungen Frauen von heute – pardon, die 90s bitches. Offenbar muss sich frau heutzutage so bezeichnen um wirklich tough zu sein. Egal – so lange es die Damen selber und freiwillig tun, ist die Welt völlig in Ordnung. Schließlich spielen die Jungs ja auch seit eh und jeh gern die Bösewichter um Aufmerksamkeit zu erregen oder wenigstens cool zu wirken.

I Love It hat es dann tatsächlich ziemlich schnell geschafft, sich auf den mp3-Playern dieser Welt einzunisten und zu einem Hit zu werden. Bezeichnend ist aber irgendwie doch, dass am Ende der große Getränkegigant mit den zwei C’s zumindest in den deutschsprachigen Ländern dafür verantwortlich war, dass der Titel wirklich zu so etwas wie einem Superverkaufsschlager wurde. Im Fernsehen rauf und runter gedudelt, konnten sich bald nicht nur die selbstbewussten Frauen um die 20 mit dem Titel identifizieren, sondern auch die ganz kleinen Kids und die Männer Mitte 30 (und wahrscheinlich eine ganze Menge anderer Alters- und Sozialgruppen ebenfalls). Könnte jetzt also ganz schnell passieren, dass von dem rebellischen Potenzial, dass die beiden Frauen eventuell verkörpern, gar nicht mehr so viel übrig bleibt.

Aber eigentlich hab’ ich um Icona Pop gar keine Angst. Liebevolle Produktumarmung führt ja seit mindestens 10 Jahren schon nicht mehr zur kompletten Kritiklosigkeit oder gar Abhängigkeit. Insofern ist das allgemeine Naserümpfen über Mainstream-Erfolge tatsächlich eine eher überholte Oldschool-Einstellung. Spaß und Hedonismus steht nämlich einem selbstbestimmten Leben überhaupt nicht im Wege – eher umgekehrt. Und das positive I Love It hat zumindest mehr Möglichkeiten im Blick als die permanente und problembewusste Kritik.

Also: I Love It!



Freitag, 18. Januar 2013

Olly Murs Feat. Flo Rida: Troublemaker




In Großbritannien gehört Olly Murs mit fünf Nr.1-Hits zu den erfolgreichsten Acts der letzten Jahre. Entdeckt in DER Casting-Show X Factor, anders als in Deutschland bedeutet das im Popland Britannien tatsächlich etwas längeranhaltenden Erfolg. Und so ein bisschen spielt Olly Murs den gute-Laune-Pop-Apostel. Wer Vergleiche liebt, der wird vielleicht auf so etwas kommen wie: “Das was Robbie Williams vor 15 Jahren mal war.” – Wobei hier vor allem gemeint ist: der Junge wird uns vermutlich noch eine Weile erhalten bleiben.

Troublemaker also ist sein neuester Streich, der als Appetithäppchen zum nächsten Album Right Place Right Time geliefert wird. Es ist – wie eigentlich alles von Olly Murs – eingängiger Tagespop. Sofort mitsingbar, ganz harmlos und tatsächlich ein luftig leichtes Lebensgefühl vermittelnd. Und damit wär ich hier auch schon fast am Ende meines Ergusses … nichts weiter zu sagen, so glatt ist das Ganze. Aber glücklicherweise gibt es da ja noch ein Video, das erzählt noch ein wenig mehr.




Im ersten Moment auch ganz belanglos und aalglatt. Aber dann denke ich: Hmmm – die junge Frau in dem Video ist also die Unruhestiefterin, die Stänkerin. Warum eigentlich? Weil sie sich nicht von alten Säcken anmachen und betatschen lassen will? Na gut, vielleicht ist sie ein bisschen eigensinnig und stellt sich auch ein bisschen tolpatschig an – aber das ist ja nur völlig in Ordnung in unserer durchorganisierten Welt. Klar, dass ich so eine Frau erstmal großartig finde. Die ist nicht einfach angepasst und funktioniert. Die hat offenbar einen eigenen Willen und vielleicht sogar ein bisschen was im Kopf. Verstehe ich völlig, dass auch Olly Murs mit ihr durchbrennt. Und dann verstehe ich es auch wieder nicht. Ausgerechnet Olly Murs. Der Typ, der im Anzug durch sein Video rennt. Der ist doch noch nicht mal 30 und macht auf legeren Preppy-Style. Warum denn das?

Gut – für solch einen jungen Menschen wie Olly Murs bedeutet ein Anzug mit Einstecktaschentuch nichts mehr. Das kann zwanglos getragen werden und fühlt sich wahrscheinlich wirklich locker an. Ich bin da hier wohl echt zu verklemmt , wenn ich bei Jackett sofort immer an Kleiderordnung und Banker und jede Menge Vorschriften denke.

Verzeihe ich also Olly Murs seine modischen Eskapaden und vertraue darauf, dass hinter dem grauen Baumwollstoff kein biederer Bürger steckt. Wenn ich dann allerdings seinen belanglosen Sound dazu höre, dann bin ich mir doch nicht sicher, wie sehr Olly Murs auf enge Konventionen pfeift. Am Ende geht es bei ihm wohl eher um den Weg des geringsten Widerstandes. Er macht sich zwar nicht viel aus all den ungeschriebenen Regeln, aber er tut auch nichts, was diese stören oder in Frage stellen würde. Und mit dieser Akzeptanz bestätigt und festigt er das bestehende System. Das ist ein bisschen das Problem an dieser affirmativen Haltung.

Und genau deshalb ist also diese sehr moderne und selbstbewusste Frau diejenige, die Unruhe in den Laden bringt – ein troublemaker halt. Dabei sollten die Anderen um sie herum doch eher die Bescheuerten sein. In dem Moment, in dem sie mit Olly Murs davon läuft, könnte das eine Hymne sein auf alle, die sich nicht völlig anpassen. Sie haben die Kraft uns alle ein bisschen aus dem Gleichgewicht zu bringen und dadurch auch (zumindest klein) Veränderungen und Entwicklungen zu bewirken. Gleichzeitig hab ich ein bisschen Angst, dass die beiden doch in einer Einfamilienhaussiedlung in irgendeinem Vorort landen und der smarte, angepasste Olly Murs das Sagen behält. Das wäre dann eigentlich ordentlich tragisch.




Freitag, 11. Januar 2013

SEEEd: Augenbling





Das Jahr 2013 ist noch recht jung. Da gibt’s noch nicht so viele neue Veröffentlichungen und demzufolge sind es eher die geheimen Hits des Herbstes, die jetzt nochmal die Chance ergreifen und sich in der Breite durchsetzen. Zum Beispiel Augenbling von SEEEd.

Kaum war das vierte Album Ende September erschienen, da stand auch schon fest: DER Song des Albums ist Augenbling. Die Nachfrage war so groß, dass sich Augenbling sogar direkt als einzelner Album-Track in den deutschen Single-Charts von media control platzieren konnte. Und wenn man den Titel hört, dann ist auch sofort klar, warum das so ist. Augenbling ist quasi eingängig vom ersten Ton an. Der Beat hypnotisch – die Lyrics großartig. Wie immer haben es SEEEd dabei gekonnt raus eine schöne Hymne auf die Liebe und das Leben zu schreiben ohne peinlich zu werden. Selbst in den Momenten wo es ganz nahe am Kitschtopf steht, wo Peter Fox gleich vom Kinderkriegen spricht oder Gott dankt, selbst da ist das Ganze so echt wie das Leben eben ist. Na klar bin ich von Schönheit und Sexyness schnell so sehr verblendet, dass ich tatsächlich Himmel und Ewigkeit verspreche. Stimmt in dem Moment zu 100% und es wäre auch ziemlich dämlich in diesem Moment erstmal den Kopf einzuschalten und zu überlegen: Ähm – immer und ewig – ist das richtig?

SEEEd (und vor allem Frontmann Peter Fox) ist deshalb cool, weil sie/er es so echt hinkriegt, den Gefühl des Moments zu beschreiben. Sexyness und körperliches Begehren spielt da natürlich auch eine ganz wichtige Rolle. Deshalb müssen die Frauen im Video auch erstmal ganz schön klischeehaft daherkommen. Eigentlich möchte ich da ganz schnell die Keule rausholen und mich in Vergleichen ergehen mit den Super-Knallo-Machos von culcha candela. Aber das ist natürlich ein völlig bescheuerter Vergleich der gar nicht funktioniert. Denn bei SEEEd darf es schon mal sexy sein, aber sie kriegen dabei irgendwie immer noch rechtzeitig die Kurve bevor es ins Sexistische abrutscht.



Und auch wenn es im Video erstmal eine ganze Menge Stereotype zu sehen gibt, das wird dann doch ganz schön gebrochen, weil die Coolness der Jungs dann eben auch ordentlich bröckelt. Zum Helden wird Peter Fox ja erst in dem Moment, wo ihm seine Angebetete einen vielversprechenden Gruß sendet. Und wenn er vor Freude dann ungefähr einen ähnlich balzhaften Tanz aufführt wie die Damen im Video, dann ist da nicht mehr allzu viel mit Frauen müssen verführerische Posen einnehmen während die Männer sich nur vergöttern lassen. Der Herr Fox muss hier auch schon ganz schön was bieten um die Dame seiner Wahl zu überzeugen.

Schön ist vor allem die Lebensfreude, die da übergreifend für alle zelebriert wird. Da müssen eben nicht nur die dünngehungerten Schönheiten durch’s Video tanzen, da müssen auch die Bodyguards ihre Choreografie hinlegen und die etwas fülligeren Frauen dürfen sich genauso zeigen. Eigentlich ist nur die Dame in Unterwäsche ein bisschen deplaziert. Klar sieht sie gut aus, aber warum es nun ausgerechnet nur diese eine ist ...? An dem Punkt fehlt mir der Mut der singenden Jungs, sich ebenfalls so erotisch in Szene setzen zu lassen. Beispiele dafür, dass das geht, gibt es ja mittlerweile zur Genüge.





Freitag, 4. Januar 2013

will.i.am & Britney Spears: Scream & Shout



Ich weiß schon: Nach diesem Text hier werde ich Haue kriegen, meine Glaubwürdigkeit als Meckerer verlieren und sowieso eine Menge Abonnenten los sein. Aber trotzdem: ich finde dieses Stück echt genial. – Ja klar, es ist der totale Trash. Was will man auch erwarten wenn sich Britney Spears mit dem Obermacker der Black Eyed Peas Monsieur will.i.am zusammen tut. Das hier ist zutiefst affirmative Popmusik – sie will nichts weiter als Leute sinnlos in die Extase des Vergessens treiben. Kein Alltag, kein bisschen Lebensrealität – reine Flucht durch Konsum. Nicht mal mehr eine Spur des Aufbegehrens oder eines Ich, das sich formuliert. Das alles in einer Konsequenz, die mich umhaut. Deshalb find ich das Stück tatsächlich wegweisend. So klingt sie, die fiese Seite der Kulturindustrie im Jahr 2013.

Gepaart und geklaut wird da eine ganze Menge aus den Rezepten der letzten Jahre. Der Track beginnt mit einem tickenden Beat, ein Kommando „Bring The Action“ und es setzt die Elektroverzerrung ein: kalt und unbarmherzig. Um einen peitschenden Clubhit zu landen ist nichts weiter mehr nötig. Seit The Time von den Black Eyed Peas gabs eine ganze Reihe Mainstreamproduktionen, die genau darauf auch setzten. Gepaart wird das Ganze mit Britney’s Stimme – aber sie singt nicht. Britney Spears kann nicht singen – das wissen wir alle schon ewig – es ist also nur konsequent sie sprechen zu lassen. Und das bitte auch in völlig debilen Un-English: „When The Others In The Club You Gotta Turn The Shit Up – When We’re In The Club All Eyes On Us …“ Der Text bedient sich dabei ganz unverblümt dem Rezept von JLO feat. Pitbull, die mit On The Floor zuletzt den völligen Club-Hedonismus einmal um die Welt schickten. Dies hier ist die Fortsetzung. Zum Abschluss der Strophe setzt dann der Refrain-Chorus ein, der wahrhaftig doof ist. Ohohoh-Chöre gehören aber seit Taio Cruz und Chris Brown einfach dazu – das ist ein bisschen schade. Verzuckert wird das Ganze dann mit einem Selbstzitat, wenn sich die beiden nämlich in schönster Rapstar-Manier selbst präsentieren, will.i.am ganz cool als MC, Britney aber völlig die synthetische Pop-Prinzessin, die sich einfach selber sampelt und nochmal ihren Dancefloorfeger Gimme More zitiert: „It’s Britney Bitch.“ Coole Acts kriegen es derzeit ganz gut auf die Reihe, sich selbst zu bashen – sehr viele sind das allerdings nicht. Bei Britney könnt ich mir vorstellen, dass es ihr tatsächlich völlig egal ist, wer oder was sie ist. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.



Zu dem ganz deutlich nach Rezept gefertigten Sound gesellt sich ein Video, dass diese Gemachtheit, den Produktcharakter des Ganzen noch einmal durchzelebriert. Da stehen nicht zwei Popstars im Bild – nein – da ist gleich eine ganze Serie von Britney Bitches produziert worden. Immer wieder. In Make Up und Style völlig entindividualisiert sieht sie natürlich aus wie eine ziemlich hässliche Puppe bei Madame Tussaud. Das Kleid vom mittlerweile amerikanischen Label Herve Leger macht diesen Zirkus 1:1 mit. Das Label hat seine besten Tage ohnehin schon lange hinter sich – die Wiederbelebung vor ungefähr 5 Jahren fand nur statt, weil der Name irgendwie gut klang. Um wirkliche Mode, Raffinesse oder gar Schönheit ging’s da nicht. Verkaufen war das Ziel.

So wie sich Britney über ein schlechtes Label entindividualisieren lässt, so ist Mister will.i.am der Werbeträger für allerlei Blingbling und technischen Quatsch. Im Prinzip ist das Ganze eine Aneinanderreihung von Gegenständen, die kein Mensch braucht und die allesamt auch völlig peinlich sind, die aber durch die permanente Abbildung und inszenierung zu begehrten Lifestyle-Dingen werden. So direkt und ungeschminkt springt uns selten der Warenfetischismus entgegen. Und weil es so gar nichts anderes sagt als: Kauf mich!, ist als adäquate Geste nur liebevolle Umarmung möglich – bei gleichzeitigem Wissen, dass es sich hier doch nur um Quatsch handelt. Das Leben ist nicht so – wissen wir alle. Aber das ist für einen Moment vielleicht auch mal völlig egal. Und wer wenn nicht wir soll denn diesen leblosen Kapitalismus am Leben erhalten?

Zu nennen an dieser Stelle unbedingt noch der Produzent Lazy Jay mit bürgerlichem Namen Jef Martens oder auch bekannt unter seinem Pseudonym basto. Wieder mal ein Europäer, der sich aufmacht, die amerikanische Szenerie zu erobern. Der könnte zusammen mit DJ Ammo die Speerspitze der nächsten Produzentengeneration sein. Zumindest zeichnen sich beide durch unglaubliche Direktheit auf dem Dancefloor aus. Keine Angst vor platten Mitteln, darin aber doch recht kompromisslos. Mal warten, wie es da weiter geht.