Freitag, 28. Oktober 2011

R(ihanna) feat. Calvin Harris: We Found Love

Muss ich eigentlich noch irgendetwas zu Rihannas neuestem Hit sagen? In Sachen Medienaufmerksamkeit wird von ihr ja so ziemlich alles ausgeschlachtet: Rihannas neues Banana-Top, Rihanna unterwegs in der Arktis, Rihanna mag keine Seefrüchte, Rihannas neuer Boyfriend … Es gibt wohl nichts, was wir nicht wissen über sie. Und das ist dann fast schon wieder unangenehm. Eigentlich würde ich sie viel lieber nicht so gut kennen und mich dafür umso mehr freuen, wenn sie mal wieder ein Stück veröffentlicht, das mich überrascht. Aber das geht nicht, denn Rihanna ist nunmal ein Mainstream-Popstar für Teenies und ein wenig Ältere.

Mit We Found Love kündigt sie ihr kommendes Album Talk That Talk an. Da der Song vorher auf noch keinem Album zu haben war, ist es klar, dass er augenblicklich in aller Aufmerksamkeit steht und die Musikmärkte ohne eine Millisekunde Verzögerung überwältigt. Erstaunlich ist eventuell die Wahl des Produzenten und dessen dicke Präsentation als featured artist. Calvin Harris ist nämlich außerhalb seiner Heimat Großbritannien noch ziemlich unbekannt. Mit der aktuellen Zusammenarbeit dürfte sich das vermutlich ändern. Und darüber kann man sehr froh sein.

Das erste Mal trat er (auch in Deutschland) vor etwas mehr als drei Jahren in Erscheinung. Acceptable in the 80s war eigentlich so etwas wie die Hymne einer neuen Synth-Pop-Welle. Allerdings brauchte es erst den Einsatz als Trailermusik bei Germany’s Next Top Model, um auch tatsächlich hierzulande ein paar mehr Leute zu erreichen. Danach wurde es dann ziemlich still um ihn. Nicht so in Großbritannien. Dort entwickelte sich Calvin Harris zum Star. Zwei Nr.1-Singles und vier weitere Hits brachte er in den vergangenen vier Jahren auf den Weg. Und an dieser Stelle könnte ich das Klagelied wiederholen, welches ich vor wenigen Tagen hier über die Veröffentlichungspolitik deutscher Label sang. Aber lassen wir das … Mittlerweile hat ja Superstar Rihanna am britischen Sound Gefallen gefunden und dem DJ und Produzenten einen kleinen Gefallen getan.

Der Song selber hinterlässt mich irgendwie zwiespältig. Da singt Rihanna im Grunde von einem ziemlich großartigen Moment: “We Found Love In A Hopeless Place”, dazu gesellt sich der eher fröhlich aufpeitschende Disco-Beat von Calvin Harris. Könnte eine ganz kitschige Nummer werden. Aber dazu gibt es dieses irgendwie auch verstörende Video. Das ist eben keine großartige Liebe, die sich da auf dem Bildschirm abspielt. Da geht es vor allem auch ganz schön kaputt und abgefressen zu. Extatische Lust und exzessiver Drogenkonsum gehören hier zusammen – der Absturz, Gewalt und soziale Verkrüppelung werden in diesem Fall nicht mal mehr ausgeblendet. Die Yellow-Press hat das alles dann ganz schnell auch autobiographisch gedeutet. Rihannas Ex-Lover Chris Brown soll wohl die Vorlage zur Performance von Dudley O’Shaughnessy. Gut, dass es diesen Link gibt. Sonst wär’s vielleicht nicht so einfach gewesen, diese Dekonstruktion oder zumindest konträre Bebilderung von Hedonismus-Romantik hoch zu jubeln. Medien sind irgendwie auch ziemlich durchschaubar, oder?



Es ist vermutlich arg übertrieben We Found Love als einen Wendepunkt im Mainstream-Pop zu feiern. Das Hochglanz-Luxus-Ding in überproduziertem Stil wird sich noch eine ganze Weile ordentlich verkaufen. Aber vielleicht unterstreicht der Titel und sein Erfolg noch einmal mehr, wofür Rihanna steht. Irgendwie bastelt sie ja schon länger an ihrem „Bad Girl“-Image – jetzt ein wenig mehr weg von nur sexuell verrucht. Eben auch runtergerockt und kaputt. Und das ist vielleicht wirklich das Spannende an dem Track. Denn ganz ehrlich: gesangstechnisch überzeugt mich Rihanna auch hier nicht – aber eben, das gehört vielleicht zum Konzept. Insofern erklärt sich auch, warum die mittlerweile zuhauf zirkulierenden Gitarren-Coverversionen so enorm nerven. Egal ob es Junge oder Mädel ist, der/die da ganz inbrünstig den Text hinaussingt, es macht den Song nicht besser, weil das wahre Gefühl an dieser Stelle eher langweilt. Da hat Rihanna schon die wahrscheinlich beste Interpretation hingelegt.

Und wenn wir schon mal beim Hochglanzbashing sind, dann holen wir doch jetzt mal die Statistik-Keule auch noch raus und sprechen über kommerziellen Erfolg. Und da kann ich nur sagen: Vergesst jetzt einfach mal wirklich Lady Gaga. Die wird zwar mindestens genauso gern durch alle Medien gezerrt – aber wirklich hören (oder sehen) will die doch kaum noch jemand. Oder erinnert sich noch jemand, wie ihr letzter „Hit“ hieß? (Yoü And I – schaffte es grade mal bis Platz 21 in den deutschen Single-Charts) Rihanna legt dagegen locker pro Jahr fünf Top 10-Hits hin, We Found Love ist soeben als ihre vierte Nummer 1 in Deutschland durchgegangen, und trotzdem scheinen die Fans (und Tausende weiterer Musikkäufer) mehr zu wollen. Wie schon erwähnt, das ist irgendwie auch nervend – aber die peinliche Marketingmaschinerie der Komplett-Synthetik-Marionette Gaga hat's mal glatt links liegen lassen.



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